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Ostermärsche: Protest gegen Wettrüsten und Waffenlieferungen
Bei mehr als 100 Aktionen bundesweit haben Menschen am Osterwochenende gegen Krieg und Militarisierung demonstriert
Eine riesige weiße Taube aus Pappmaché, auf das Dach eines Autos geschnallt, führt den Demonstrationszug an. Vom Mariannenplatz in Berlin dreht der 43. Berliner Ostermarsch am Ostersamstag eine Runde durch Kreuzberg zum Auftaktort zurück. Wie Laura von Wimmersperg von der Berliner Friedenskoordination (Friko) gegenüber »nd« erklärt, gibt es die Skulptur schon seit 1981. Sie wurde immer wieder restauriert. »Die wurde bei uns immer ›der Friedensbroiler‹ genannt«, scherzt von Wimmersperg.
Unter dem Motto »Ja zum Frieden«, ziehen hinter der Friedenstaube die Demonstrant*innen durch den Szenekiez. Die Veranstalter*innen schätzen 6000 Teilnehmer*innen, die Polizei geht von 1800 aus. Der Berliner Marsch ist einer von rund 100 im ganzen Land. Im Vergleich zur Hochzeit der Friedensbewegung in den 1980er Jahren sind sie heute klein.
Die Menge in Berlin ist divers. Neben blauen Fahnen mit der weißen Friedenstaube und Regenbogenfahnen, auf denen »Pace« (italienisch für Frieden) steht, dominieren rote. Die Linke ist da, genauso wie die Deutsche Kommunistische Partei und zahlreiche weitere linke und kommunistische Gruppen. Auch das Bündnis Sarah Wagenknecht (BSW) hat einen Block aufgestellt.
Ein älterer Mann, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, trägt ein Schild mit der Aufschrift »Opas gegen Panzer«. Er sei auf der Demo, weil es einen akuten Bedarf gebe, sich für den Frieden und gegen Hochrüstung einzusetzen, sagt er »nd«: »Es fehlt die Bereitschaft, die andere Seite, die man für den Feind hält, zu verstehen und darüber nachzudenken, ob man eventuell eigene Ursachen dafür gesetzt hat, dass die Konflikte eskalieren.«
Die voranschreitende Aufrüstung in Deutschland ist das zentrale Thema. Lühr Henken, Ko-Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag, führt die Kritik daran in seinem Redebeitrag aus. Die von CDU-Chef Friedrich Merz beabsichtigte Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine ist ihm ein Dorn im Auge: »Waffenlieferungen mit oder ohne Taurus führen zu keiner Änderung der strategischen Lage der Ukraine, sondern nur zur unnötigen Verlängerung des Krieges und bergen zudem die Gefahr eines Atomkrieges.«
Henken spricht sich für Verhandlungen mit Russland aus, um den Ukraine-Krieg zu beenden. Um Militärausgaben in ungeahnte Höhen zu treiben, werde Angstmacherei betrieben. 800 Milliarden Euro sollen in den nächsten fünf Jahren auf europäischer Ebene für Rüstung ausgegeben werden, sagt er. Die massive Aufrüstung der europäischen Nato-Staaten setze eine Eskalationsspirale in Gang, »die Russland zu Gegenmaßnahmen provoziert«. Henken ist sich sicher: »Der Krieg ist so nah. Viel näher, als man glaubt.« Deswegen müsse man die Bevölkerung aufrütteln.
Es sind vor allem Ältere, die demonstrieren. Aber nicht nur. »Wir finden es wichtig, uns als junge Menschen gegen Krieg, Faschismus und Krise zu stellen« sagt Lasse Hövermann, von Solid Berlin zu »nd«. Die Linke-Jugendorganisation ist Teil des Bündnisses gegen die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Insbesondere von der künftigen Bundesregierung gebe es Initiativen, der »Kriegsmaschinerie« junge Menschen zuzuführen. Aber: »Wir wollen nicht für Kapitalismus und Imperialismus sterben«, sagt Hövermann. Deswegen seien sie auf der Demonstration.
»Wenn man bedenkt, in welcher Gefahr wir uns befinden, sind wir natürlich viel zu wenige.«
Jutta Kusch
Berliner Friedenskoordination
Die Demonstrant*innen rufen immer wieder »Frieden schaffen ohne Waffen« oder »Nicht unser Krieg, nicht unser Militär, Feuer und Flamme der Bundeswehr«. Am lautesten ist aber der Palästina-Block, der mit Dutzenden palästinensischen Fahnen und begleitet von Trommler*innen teilnimmt. »Wenn es um Frieden geht, muss man über das reden, was gerade in Palästina passiert«, sagt ein Sprecher des Blocks zu »nd«. Man gehe auf die Straße, um darauf aufmerksam zu machen, dass es nicht nur um Frieden, sondern um einen gerechten Frieden für Palästina gehe. Während die Demonstration weitgehend ohne Zwischenfälle durch Kreuzberg ziehen kann, kommt es während der Abschlusskundgebung noch zu Rangeleien zwischen Palästina-Block und Polizei. Diese teilt mit, man habe vor und während der Demo 15 Personen kurzzeitig festgenommen.
Jutta Kausch von der Friko zeigt sich im Gespräch mit »nd« grundsätzlich zufrieden mit dem Verlauf des Ostermarsches, schränkt aber ein: »Wenn man bedenkt, in welcher Gefahr wir uns befinden, sind wir natürlich viel zu wenige.« Aufgabe der Friedensbewegung sei es, einen Gegenpol zur veröffentlichten Meinung zu bilden. Denn die sei stark auf Kriegstüchtigkeit ausgerichtet. Auf der Abschlusskundgebung betont Kausch, man stehe als Bündnis klar gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und arbeite deswegen nicht mit Rechten und Rechtsextremen zusammen. Dasselbe bekräftigt gegenüber »nd« auch Kristian Golla vom Netzwerk Friedenskooperative, das als bundesweite Informationsplattform der Friedensbewegung fungiert, für die anderen Ostermärsche.
Mit der »Friedensprozession« am Karfreitag in Dresden, die maßgeblich von Marcus Fuchs, einem Kommunalpolitiker der extrem rechten Partei Freie Sachsen mit organisiert wurde, habe man nichts zu tun, betont Golla. Dort hätten rechte »Trittbrettfahrer« das wichtige Thema Frieden vereinnahmt. »Wir distanzieren uns klar von der Dresdner Veranstaltung«, sagt Golla.
Die Dresdner »Prozession« stand unter dem Motto »Frieden kennt keine Brandmauer«. Nach Veranstalterangaben beteiligten sich daran 6000, laut Polizei 3000 bis 4000 Menschen. Auf der Kundgebung sprachen unter anderem der rechtspopulistische Kabarettist Uwe Steimler, der ehemalige TV-Pfarrer Jürgen Fliege und die Publizistin Ulrike Guérot. Digital zugeschaltet war auch der Komiker Dieter Hallervorden. Der Musiker Tino Eisbrenner trat in Dresden wie auch bei Ostermarsch-Demos in Rostock und Brandenburg (Havel) auf. Eisbrenner war von der Dresdner Antimilitaristischen Vernetzung vor dem rechten Veranstalter der Prozession gewarnt worden. In einer Antwort darauf auf Facebook berief er sich auf den Grundsatz der »Aktionseinheit« von Menschen unterschiedlichster politischer Couleur.
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