Kontrollierter Aktionismus an den Grenzen

Einreiseverbote an der Grenze zu Tschechien und Österreich behindern den Güterverkehr erheblich

Nachdem in der Nacht zu Sonntag die verschärften deutschen Einreiseregeln an den Grenzen zu Tschechien und dem österreichischen Bundesland Tirol in Kraft getreten sind, haben Bundespolizisten umgehend Tausende Autofahrer kontrolliert. Rund 500 Personen seien an der Einreise nach Bayern gehindert worden, erklärte der Präsident der Bundespolizeidirektion München, Karl-Heinz Blümel, am Sonntagmittag bei einem Termin in Schirnding mit Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Die Grenzkontrollen bedeuteten nicht das Ende des freien Europas, verteidigte Söder die Maßnahme. Ziel der Bundesregierung sei es, das Einschleppen von hoch ansteckenden Coronavirus-Mutationen über die Grenze einzudämmen. Bis auf wenige Ausnahmen dürfen Ausländer ohne Wohnsitz und Arbeitserlaubnis nicht mehr nach Deutschland einreisen.

Kritik an der Maßnahme kam aus der Slowakei. Das Außenministerium aus Bratislava hält insbesondere die Auflage für Lastwagenfahrer für problematisch, die bei der Einreise einen höchstens zwei Tage alten Coronatest vorweisen müssen. »Diese Maßnahme wird riesige Probleme verursachen und ist für unsere Lastwagenfahrer in der Praxis kaum erfüllbar«, erklärte der slowakische Außenminister Ivan Korcok seinem deutschen Amtskollegen Heiko Maas.

Das österreichische Bundesland Tirol hat dagegen angekündigt, den Lastwagenverkehr aus Italien bereits vorab zu kontrollieren und zu drosseln, um einen Rückstau im Inntal zu verhindern. »Wir lassen es nicht zu, dass Tirol der Parkplatz Europas wird«, erklärten Landeshauptmann Günther Platter und Verkehrslandesrätin Ingrid Felipe. Durchschnittlich nutzen die Inntalautobahn bei Kufstein innerhalb von 24 Stunden rund 4000 bis 5000 Lastwagen für den Gütertransport.

Alarm schlug auch die deutsche Autoindustrie. Durch die Kontrollen werde es erhebliche Lieferprobleme geben. Schon am Montag drohten Werksschließungen, teilte ein Sprecher des Verbandes der Automobilindustrie am Sonntag mit. »Die Werke in Ingolstadt, Regensburg, Dingolfing, Zwickau und Leipzig sind als Erste betroffen.« Es brauche daher dringend ausreichende Testkapazitäten an den Grenzübergängen, und in den ersten Tagen sollten auch Schnelltests zugelassen werden.

Die EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides hält die verschärften Einreiseregeln für blanken Aktionismus. »Die Furcht vor den Mutationen des Coronavirus ist verständlich. Aber trotzdem gilt die Wahrheit, dass sich das Virus nicht von geschlossenen Grenzen aufhalten lässt«, sagte die 64-jährige Zyprerin der »Augsburger Allgemeinen«.

Nur wenige Stunden nach Inkrafttreten wurden die Einreiseregeln am Sonntag für Berufspendler mit wichtigen Aufgaben in systemrelevanten Branchen wieder gelockert. Sie dürfen nun wieder einreisen, teilte das Bundesinnenministerium mit. Wirtschaftlicher Schaden solle damit abgewendet werden.

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