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Südafrikas politisches System brennt

Die Corona-Pandemie und die Korruption machen dem Land am Kap schwer zu schaffen

  • Christian Selz, Kapstadt
  • Lesedauer: 3 Min.

Die aus Sicht eines Staatschefs wohl schlimmste Reaktion auf eine als wegweisend konzipierte Rede ist: keine Reaktion. Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa kommt diesem Szenario dieser Tage besorgniserregend nahe. Erst am vergangenen Donnerstag hatte der 68-Jährige vor dem Parlament in Kapstadt seine Rede zur Lage der Nation gehalten, mit der das Regierungsoberhaupt alljährlich das Parlamentsjahr eröffnet. Dass die Stuhlreihen in der Kammer nur spärlich besetzt waren, lag einzig an der Corona-Pandemie: Das Gros der Abgeordneten wohnte der Hybrid-Veranstaltung per Videokonferenz bei. Dafür, dass bereits am folgenden Montag kaum noch von Ramaphosas Zukunftsprojekten gesprochen wurde, waren allerdings zwei Protagonisten seiner eigenen Partei African National Congress (ANC) verantwortlich: Ex-Präsident Jacob Zuma und Generalsekretär Elias »Ace« Magashule, beide mit schweren Korruptionsvorwürfen konfrontiert.

Seine Rede vor dem Parlament begann Ramaphosa mit einem Botanik-Exkurs in den Fynbos, dem weltweit kleinsten Florenreich in den Bergregionen rund um Kapstadt. »Die hervorstechendste Besonderheit des Fynbos ist, dass er Feuer braucht, um auf lange Sicht zu überleben«, erläuterte der Präsident mit der Sicherheit eines Biologielehrers, ehe er diese Widerstandsfähigkeit auf sein Volk übertrug, das nach Jahrhunderten Kolonialisierung und Apartheid ja auch wieder aufgestanden sei. Doch der Vergleich bietet noch mehr. Denn es gibt eine weitere Parallele, die dem Präsidenten kaum lieb sein kann: Aufgrund des Klimawandels und von Menschen verursachter Feuer brennt die Buschlandschaft inzwischen in viel zu kurzen Abständen. Die Pflanzen bekommen nicht genug Zeit, um Samen auszubilden. Das Ökosystem ist ernsthaft bedroht. Auch in Südafrikas politischem System brennt es derzeit lichterloh.

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Am Montag sollte Ramaphosas Vorgänger Jacob Zuma sich den Fragen einer Untersuchungskommission stellen. Zuma hatte wie Ramaphosa sowohl den Posten des ANC-Präsidenten als auch des Staatspräsidenten inne und sollte sich zu Vorwürfen von »State Capture« äußern: Mit diesem Begriff wird in Südafrika die systematische korrupte Unterwanderung staatlicher Institutionen bezeichnet, die vor allem während der Präsidentschaft Zumas beängstigende Dimensionen angenommen hatte. Doch der Altpräsident erschien nicht, obwohl der Kommissionsvorsitzende, Südafrikas stellvertretender Oberster Richter Raymond Zondo, ihn mit einem Urteil des Verfassungsgerichts hatte vorladen lassen.

Ähnlich renitent präsentiert sich ANC-Generalsekretär Magashule, der derzeit nur auf Kaution frei ist und am Freitag seinen nächsten Gerichtstermin als Angeklagter in einem Korruptionsverfahren erwartet. Die ANC-Verfassung verlangt deshalb - ebenso wie die parteiinterne Integritätskommission - seinen Rücktritt mindestens bis zur Klärung der Vorwürfe. Magashule aber weigert sich, stilisiert sich wie Zuma zum Opfer einer Verschwörung und bleibt im Amt.

Im ANC tobt ein Kampf um die Vorherrschaft, den die Anhänger des alten Zuma-Lagers noch längst nicht verloren haben. Ramaphosa verliert derweil mehr und mehr an moralischer Autorität, weil das Plündern staatlicher Ressourcen auch unter seiner Präsidentschaft nicht aufgehört hat. Vor gut einer Woche präsentierten die Sonderermittler für Korruptionsdelikte einen Zwischenbericht zu Nachforschungen über die Beschaffung medizinischer Schutzausrüstung. Bei Deals im Gesamtwert von 13 Milliarden Rand (740 Millionen Euro), knapp der Hälfte des gesamten Auftragsvolumens, haben die Ermittler Verdacht geschöpft. Und die Staatskassen sind leer. Die Regierung weigert sich bereits, die im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vereinbarten Gehaltserhöhungen zu zahlen. Die erhofften Investitionen aus dem Ausland blieben bisher weit hinter den Erwartungen zurück, der Konjunkturoptimismus-Index ist auf ein Allzeittief gesunken. Für die Zukunft sind die Aussichten also eher schlecht.

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