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Polare Kaltluft und Gaskraftwerksausfälle in Texas: Millionen ohne Strom
Weite Teile der USA ächzen unter Eis und Schnee / Notstand in mehreren Bundesstaaten ausgerufen
Houston. Ungewöhnlich eisiges Winterwetter hat im südlichen US-Bundesstaat Texas zu massiven Stromausfällen geführt. Die Zahl der Haushalte ohne Elektrizität stieg bis zum Montagabend (Ortszeit) nach Angaben der Webseite poweroutage.us auf knapp 4,4 Millionen an. Die Netzagentur des Bundesstaats (Ercot) hatte zuvor rotierende Abschaltungen von Teilen des Netzes angekündigt, um einen kompletten Zusammenbruch der Versorgung zu verhindern. Es sollten etwa zwei Millionen Haushalte betroffen sein, wie es anfangs hieß.
Der örtliche Stromversorger Oncor warnte Kunden, dass die weitreichenden Stromausfälle noch bis Dienstag anhalten dürften. Gouverneur Greg Abbott teilte mit, die Nationalgarde sei im Einsatz, um dabei zu helfen, frierende Menschen aus ihren Häusern in eines der 135 eingerichteten Wärmezentren zu bringen. Es seien rund 3300 Polizisten des Bundesstaats, knapp 600 Angehörige militärischer Einheiten, Allradfahrzeuge der Forstverwaltung und 700 Schneepflüge im Einsatz. Für den Bundesstaat an der Grenze zu Mexiko, der flächenmäßig fast doppelt so groß ist wie Deutschland, wurde der Notstand ausgerufen. US-Präsident Joe Biden bewilligte zudem Unterstützung durch die Katastrophenschutzbehörde Fema.
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Der Flughafen der Metropole Houston musste wegen des Winterwetters zunächst bis Dienstagmittag schließen, am Flughafen Dallas/Fort Worth gab es zahlreiche Annullierungen, in Austin wurden am Montag alle Flüge gestrichen. Die Behörden forderten alle Bürger auf, wegen verschneiter und vereister Straßen in ihren Häusern und Wohnungen zu bleiben.
In der texanischen Metropole Houston fielen die Temperaturen auf minus 9 Grad Celsius. «Wir sind heute früh aufgewacht und alle Rohre waren zugefroren und wir hatten kein Wasser im Haus, sagte Burke Nixon aus Houston der Nachrichtenagentur AFP. Der Bürgermeister der Stadt, Sylvester Turner, forderte alle Bewohner, die noch Strom haben, auf, ihre Heizungen zu drosseln, um das Netz zu stabilisieren. Der örtliche Stromversorger CenterPoint Energy sprach dort von rund 1,2 Millionen Kunden ohne Strom.
In weiten Teilen des Bundesstaats mussten die Anwohner mit Schnee und Eis zurechtkommen. Die »New York Times« und andere Medien berichteten, dass ein Teil der Stromausfälle auch auf eingefrorene Windräder zurückzuführen war. In den USA und auch in Deutschland führte dies umgehend zu Debatten über erneuerbare Energien und deren scheinbare Unzuverlässigkeit in den sozialen Medien.
Jedoch: Windkraft ist in dem Bundesstaat zwar von wachsender Bedeutung, macht aber insgesamt nach wie vor nur einen kleinen Teil im Strommix aus. Am Montagmorgen seien Kapazitäten im Umfang von 30 Gigawatt offline genommen worden, darunter rund 26 Gigawatt »Thermalkraftwerke« - also Gas- und Kohlekraftwerke- und vier Gigawatt von vereisten Windturbinen, so Jesse Jenkins, Professor für Makro-Energie an der Princeton University. »Der großflächige Ausfall von Gaskraftwerken ist derzeit der Grund für die Stromausfälle«, schreibt Jenkins auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Texas habe für die Spitzenenergienachfrage im Winter in »überwältigender« Art und Weise auf Gas gesetzt, so der Experte.
Außerdem sei das extreme Winterwetter so weit im Süden auch eine Folge von Klimastörungen durch den Klimawandel. Weil der polare Vortex wegen der Erwärmung der Arktis zusammenbricht, passiere es »immer häufiger«, dass polare Kaltluft weit in den Süden vorstoße, was auch aktuell der Fall sei.
Die ungewöhnliche Kaltwetterfront sollte noch bis mindestens Dienstag andauern und auch Bundesstaaten bis in den Nordosten des Landes betreffen. Am Montag kam es unter anderem auch in Tennessee, Oklahoma und Kentucky zu eisigen Wetterverhältnissen. Örtliche Medien berichteten über zahlreiche Verkehrsunfälle. Im Zentrum des Landes hielt sich dem Nationalen Wetterdienst zufolge »kalte arktische Luft«. Für die Stadt Lincoln in Nebraska etwa sollten die Temperaturen nach Prognosen über Nacht unter minus 30 Grad fallen.
Der Nationale Wetterdienst (NWS) sprach von einem »noch nie dagewesenen und weitreichenden, gefährlichen Winterwetter« von einer Küste zur anderen. Derzeit gelten bereits für über 150 Millionen US-Bürger Warnungen vor Schnee- und Eisstürmen. Landesweit mussten hunderte Flüge gestrichen werden.
Außer in Texas wurde der Notstand auch in Alabama, Oregon, Oklahoma, Kansas, Kentucky und Mississippi verhängt. In Oregon waren 300.000 Haushalte ohne Strom. Auch in Mexiko waren in den Bundesstaaten Nuevo León, Chihuahua, Coahuila, Tamaulipas, Durango und Zacatecas am Montag fast fünf Millionen Haushalte zeitweise ohne Strom, wie der staatliche Stromanbieter CFE erklärte. Bei etwa zwei Drittel der Anschlüsse sei die Versorgung inzwischen wiederhergestellt, hieß es. Das Frieren von Pipelines habe zu einer Unterbrechung der Gaszufuhr geführt, hieß es. Agenturen/nd
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