Flensburg: Baumbesetzer werden immer noch geräumt

Festnahmen bei Protesten von Umweltaktivisten - Bundesweite Solidaritätsaktionen

  • Dieter Hanisch, Flensburg
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein Hotel-Investorenduo hatte vergangenen Freitag eigenmächtig und in Selbstjustiz eine Räumungsaktion in Flensburg angezettelt, um ein umstrittenes Bauprojekt auf der Grünfläche zeitnah starten zu können. Begleitet wird die Räumung nun von Protesten durch Umweltaktivisten und deren Sympathisanten. Es hat bereits Festnahmen gegeben. Neben der Räumung ist auch das Fällen weiterer Bäume auf dem künftigen Baugrundstück vorangetrieben worden. Die Flensburger Polizei hat neben Kräften der Bundespolizei auch Amtshilfe von Einheiten aus Niedersachsen und Hamburg bekommen.

Die Verwaltung der Stadt begründet die polizeiliche Räumung mit den selbst gebauten Baumhäusern, der Pandemie-Lage und der verhängten nächtlichen Ausgangssperre. Formal würden Baumplattformen keine Meldeadresse darstellen, heißt es in einer Verfügung. Teils haben sich Aktivisten in Baumhäusern angekettet, andere haben sich Kletterduelle in Astkronen mit Polizeibeamten geliefert.

Aus Solidarität mit der Räumung hatte es bundesweit Aktionen gegeben, etwa Baumbesetzungen in Greifswald, Aachen und im Steinauer Wald in Hessen. Die Proteste in Flensburg sind längst nicht mehr auf das Gebiet am Bahnhofswald beschränkt. Am Morgen wurde eine vielbefahrene Kreuzung am Busbahnhof für drei Stunden durch eine Abseilaktion von einer Brücke blockiert. Sonntagabend ging ein Firmenauto von einem der Flensburger Investoren in Flammen auf. Bereits im Januar gab es anonyme Drohungen, die für jeden gefällten Baum einen Fahrzeugbrand ankündigten. Daraufhin wurden die Baumbesetzer pauschal kriminalisiert.

Nach dem 1. März lässt das Bundesnaturschutzgesetz sieben Monate lang keinerlei beseitigenden Holzeinschlag zu. Die Investoren sahen ihr Bauvorhaben daher gefährdet, weil die Stadt Flensburg sich wegen der Corona-Lage weigerte, die Besetzung zu beenden. Zugleich drohte man der Stadt mit hohen Regressforderungen. Das Investorenduo hatte sich daraufhin entschieden, vergangenen Freitag in einer Rambo-Aktion mit einer Sicherheitsfirma und Forstarbeitern die Vertreibung der Besetzer ohne Wissen der Stadt und der Polizei selbst in die Hand zu nehmen. Mit Kettensägen wurden vom Räumkommando in kurzer Zeit viele Bäume rundum eingesägt, um die sichere Standfestigkeit zu gefährden. Dazu wurden Kletterseile der Baumplattformen gezielt gekappt.

Erst die Polizei und eine städtische Verfügung stoppten die Amok laufenden Investoren-Handlanger. Sowohl die Stadt Flensburg als auch die Gewerkschaft der Polizei nannten die Aktion verantwortungslos, weil rücksichtslos Menschenleben riskiert wurden. Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack musste die Investoren darauf hinweisen, dass in Deutschland die Polizei das Gewaltmonopol besitzt. Sie muss im Kieler Landtag einen Bericht über die Vorgänge abliefern. Das hat der Südschleswigsche Wählerverband beantragt.

Als Folge der Freitagsattacke mussten am Samstag viele angesägte Bäume aus Sicherheitsgründen gefällt werden. Etliche Baumschützer verließen dafür das Gelände. Auch drei selbst gebaute Baumhausplattformen waren dem Räumangriff somit zum Opfer gefallen. Damit hatten die Investoren ihr eigentliches Ziel erreicht. Fortan hinderte die Polizei die Besetzer am Wiederbetreten des Areals. Inzwischen fordert auch die Umweltinitiative Robin Wood eine unabhängige Untersuchung der Flensburger Vorgänge.

Die Grünen in Flensburg verurteilten die Räumung und werteten das Vorgehen als Eigentor der Investoren: »So verspielen sie die bisher teilweise in der Öffentlichkeit vorhandene Akzeptanz ihres Projektes selbst«, hieß es in einer Stellungnahme. Der Flensburger Europaabgeordnete der Grünen, Rasmus Andresen, forderte die Stadt auf, die Zusammenarbeit mit dem Investorenduo zu beenden. Der Linke-Bundestagsabgeordnete und Umweltpolitiker der Fraktion Lorenz Gösta Beutin kommentierte: »Wenn die Stadt Flensburg und Oberbürgermeisterin Simone Lange (SPD) Rückgrat haben, entziehen sie dem Investor jetzt die Baugenehmigung.«

Lange als Verwaltungschefin gerät indes immer mehr in die Kritik. Inzwischen streitet sie ab, dass sie eine Räumung des Grundstücks aus Pandemie-Gründen noch im Februar gänzlich ausgeschlossen hätte.

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