Ausgeträumt!

Das Eigenheim ist angesichts der Klimakrise und tobender Naturkatastrophen kein Model für die Zukunft, meinen Katalin Gennburg und Luigi Pantisano

  • Katalin Gennburg und Luigi Pantisano
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Passend zum 100. Geburtstag des Bauhauses findet in der parlamentarischen Linken eine Debatte über Einfamilienhäuser statt - leider jedoch nicht über Städtebau. Dabei braucht es in Zeiten der Klimakrise dringend eine sozial-ökologische Raumordnungsdebatte.

Wer sich an Walter Gropius Kampfansage an das Satteldach und an die Auseinandersetzungen zum »Neuen Wohnen« erinnert, weiß in etwa, was gerade abgeht zwischen Stadtplaner*innen einerseits und »Parteipolitik« andererseits: Die Fachwelt war damals schon radikaler als die Politik. Und so ist es noch heute.

Katalin Gennburg und Luigi Pantisano

Katalin Gennburg studierte Historische Urbanistik und ist Sprecherin für Stadtentwicklung für Die LINKE. im Berliner Abgeordnetenhaus

Luigi Pantisano ist Stadtplaner und Architekt und hat sich in Lehre und Forschung im Schwerpunkt mit Planen im ländlichen Raum befasst. Er ist seit 2017 Stadtrat in Stuttgart.

Schon beim Bau der Werkbundsiedlung »Am Weißenhof« in Stuttgart im Jahr 1927 war den beteiligten Stadtplaner*innen und Architekt*innen klar, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Großteils der Bevölkerung kein verschwenderisches Bauen mehr erlauben würden. Die Frage »Wie wohnen?« wurde an diesem Beispiel mit Mehrfamilien- und Reihenhäusern für Arbeiter*innen wegweisend beantwortet.

Die aktuelle Debatte nimmt ihren Ausgang in einem Hamburger Stadtteil. Dort sollen künftig keine Neubaugebiete für Einfamilienhäuser mehr ausgewiesen werden. Eine bundesweit längst gängige Position, zumal es das Ziel gibt, den Flächenverbrauch auf 30 Hektar pro Tag zu reduzieren. Derzeit wird noch doppelt so viel Land versiegelt. Die Linkspartei, aber auch die PDS in Umweltbewegungen und Parlamenten, hat immer für dieses Ziel gekämpft.

Umso verwunderlicher ist die aktuelle Diskussion über das Einfamilienhaus als Chiffre für »das Glück der kleinen Leute«. Von wem soll da eigentlich die Rede sein? Ob in Dörfern oder Städten: Die meisten Menschen sind froh, wenn sie überhaupt eine Wohnung finden, deren Miete sie bezahlen können. Wer sich aus der Unter- und Mittelschicht ein Einfamilienhaus kauft oder baut, ist meist jahrelang geplagt mit hohen Hypotheken. Und ist das Haus erst abbezahlt, sind die Kinder meist schon weggezogen. Die Folge ist bei vielen älteren Menschen Einsamkeit in den »eigenen vier Wänden«. Der Traum vom Eigenheim wurde gesamtgesellschaftlich längst ausgeträumt.

Hinzu kommt eine Entwicklung, die schon in den 2000er Jahren zu einer Raumordnungsdebatte in einigen Bundesländern geführt wurde: Es ist die Debatte um die Frage nach der Entleerung und Schrumpfung von Städten und ländlichen Regionen in Ost und West. Es gibt Dörfer im Schwarzwald, in denen die Anzahl leerstehender Einfamilienhäuser höher ist als die Zahl der Bevölkerung. Klar ist seither, dass wenige Menschen auf zu viel ungenutztem Wohnraum und mit zu viel versiegelter Fläche nicht mehr die Formel für die Stadt- und Raumplanung sein kann.

Zudem schließt ein linker Beitrag zur Frage der sozial-ökologischen Raumverteilung auch nahtlos an die Debatte zu sozialer Gerechtigkeit und dem Zugang zu immer teurer werdenden Boden an. Der planerische Grundsatz Innenentwicklung vor Außenentwicklung verhindert außerdem vielerorts, dass für Wohnungsbau geeignete Grundstücke nicht auf Grün- und Landschaftsflächen ausgewiesen werden.

In Berlin werden, unter Regierungsbeteiligung der Linken, alle für Wohnungsbau geeigneten Grundstücke nur noch in Erbbaurechten vergeben. Kürzlich hat Bausenator Sebastian Scheel (Linke) zudem veranlasst, 40 landeseigene Grundstücke, die für Einfamilienhäuser vorgesehen waren, an soziale Träger zu geben.

Zuletzt steht die »Eigenheimdebatte« auch beispielhaft für eine innerlinke Diskussion um den sozial-ökologischen Umbau der Gesellschaft. Was uns daran besonders stört, ist die immer gleiche Anrufung eines »Arbeiters am Werkstor«, der die Debatte angeblich nicht verstehe und sich deshalb von der Linken abwende.

Dieser Paternalismus bedient ein Politikbild, wonach nur Politiker wissen, was gut ist für die Menschen, statt mit ihnen darüber zu reden und sie zu Entscheider*innen zu machen. Doch in Zeiten der Klimakrise, weltweiter Klimastreiks und angesichts tobender Naturkatastrophen wird auch der letzten Häuslebauer*in klar sein, dass es so nicht weitergeht und die Politik endlich für zukünftige Generationen handeln muss.

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