Kandidaturen spiegeln Richtungskämpfe

Auf dem Linke-Onlineparteitag wird der 44-köpfige Vorstand neu gewählt. Gerade in der Besetzung der Vizeposten will die Partei ihren Pluralismus zeigen

Ganz vorn dürfte es keine Überraschungen geben. Janine Wissler und Susanne Hennig-Wellsow bewerben sich ohne aussichtsreiche Konkurrenz um den Bundesvorsitz der Linkspartei. In ihren Biografien und Positionen ist der parteiinterne Proporz geradezu ideal gewahrt. Die Thüringer Landes- und Fraktionschefin Hennig-Wellsow vertritt den Osten und die regierungswillige Realo-Fraktion. Dagegen repräsentiert Wissler die jüngere Generation der Linken West. Die Vorsitzende der hessischen Linksfraktion hat sich durch ihre enge Verbindung zu außerparlamentarischen Bewegungen profiliert. Die Chancen, als Teil einer Bundesregierung wirklich eine Politik der Abrüstung und des sozial-ökologischen Umbaus umsetzen zu können, hält sie für gering. Zugleich bekommt die Partei mit den beiden die erste weibliche Doppelspitze einer deutschen Partei überhaupt.

Neben den beiden Frauen bewerben sich unabhängig voneinander zwei auf Bundesebene völlig Unbekannte um den Bundesvorsitz: Reimar Pflanz aus Brandenburg und Torsten Skott aus Mecklenburg-Vorpommern. Pflanz will eine Linke, die eine radikale »sozialistische Opposition in Bund und Ländern ohne Wenn und ohne Aber« ist. Skott, 48 Jahre, kandidiert mit der Begründung, das Amt sei nicht nur eines für Mandatsträger oder Mitarbeiter von Abgeordneten. Er glaube, gut vermitteln und gerade jene Gruppen ansprechen zu können, »die wir verloren haben«, erklärte Skott gegenüber »nd«. Während er ausschließlich als Parteichef kandidiert, bewirbt sich Pflanz auch als Stellvertreter und einfaches Vorstandsmitglied.

Der amtierende Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler bewirbt sich erneut um das Amt, seit Mittwoch konkurrenzlos. Mitbewerber Thomas Westphal, der das Vorstandsbüro der Linksfraktion im Bundestag leitet und als Wunschkandidat von Fraktionschef Dietmar Bartsch galt, hatte Mitte Januar seine Kandidatur bekannt gegeben - und zieht nun zurück. In einer Erklärung betonen Schindler und Westphal, sich »gemeinsam mit aller Kraft für linke Erfolge im Superwahljahr 2021« einbringen zu wollen. Von vornherein keinen Konkurrenten hat Bundesschatzmeister Harald Wolf. Der ehemalige Berliner Wirtschaftssenator will die Finanzen der Partei weiter verwalten.

Spannender als die Vorsitzendenwahl dürfte die der Stellvertreter werden. Einerseits, weil nur noch drei der bisherigen sechs Vizechefinnen und -chefs erneut antreten, andererseits, weil sich etliche prominente Politikerinnen und Politiker für einen dieser Posten bewerben. Zudem wird quotiert gewählt. Mindestens die Hälfte der Posten ist Frauen vorbehalten. Zuerst werden auf drei Vizeposten über eine Frauenliste Bewerberinnen gewählt, die übrigen kandidieren danach erneut zusammen mit den männlichen Bewerbern.

Bis zum Freitag lagen zehn Bewerbungen um die Stellvertreterposten vor, darunter die der amtierenden Vizevorsitzenden Martina Renner, Ali Al-Dailami und Tobias Pflüger. Parteivize Axel Troost, der kürzlich für Michael Leutert, der sein Mandat zurückgab, in den Bundestag nachrückte, bewirbt sich nur noch als einfaches Vorstandsmitglied.

Die Konkurrenz um die Vizeposten ist groß, und es dürfte viele eindringliche Unterstützungsreden der verschiedenen Lager geben. Mit Friederike Benda, Referentin für Menschenrechtspolitik in der Bundestagsfraktion, und der sächsischen Landtagsabgeordneten Kerstin Köditz bewerben sich zwei Frauen, die bereits Vorstandsmitglied sind. Doch zwei weitere Bewerberinnen drängen ins Amt: Katina Schubert, Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses und Berliner Landesvorsitzende, und die Verdi-Gewerkschaftssekretärin Jana Seppelt. Erstere vertritt klar die Position der Regierungsbefürworter, Seppelt wird von der Bundesarbeitsgemeinschaft Bewegungslinke unterstützt, die eher für die Stärkung des außerparlamentarischen Aktivismus in Betrieben und Umweltbewegungen steht. Sie ist eine von drei Bewerbern, die kein hohes Parteiamt und kein Abgeordnetenmandat haben und auch nicht Mitarbeiter der Partei oder einer Fraktion sind. Auch Bayerns Landeschef Ates Gürpinar kandidiert für den stellvertretenden Vorsitz.

Für das Amt eines Vizevorsitzenden bewirbt sich unterdessen auch Matthias Höhn. Der Bundestagsabgeordnete hatte Mitte Januar mit einem Papier zu »linker Sicherheitspolitik« heftige Debatten ausgelöst. Viele Genossinnen und Genossen sehen unter anderem in seiner Forderung nach mehr Offenheit für Militäreinsätze zumindest unter Führung der Uno einen Angriff auf friedenspolitische Grundsätze der Partei. Gleichwohl hat er viele Unterstützer, etwa im Forum demokratischer Sozialismus. Sein prominentester Fürsprecher dürfte Stefan Liebich sein, der seinen Posten als außenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag aufgab und bei der Bundestagswahl im September nicht mehr antritt. Sollte Höhn etwa anstelle des langjährigen Friedensaktivisten und Militärexperten Tobias Pflüger gewählt werden, dürfte das zumindest in der SPD als Signal der ausgestreckten Hand für eine Koalition im Bund begrüßt werden.

Als einfache Vorstandsmitglieder hatten sich bis zum Donnerstag 61 Personen beworben, unter ihnen auch etliche bekannte Politikerinnen und Politiker wie der langjährige Chef der Magdeburger Landtagsfraktion Wulf Gallert, die Berliner Ex-Bausenatorin Katrin Lompscher und der Europa-Fraktionschef Martin Schirdewan.

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