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- Datenschutz und Steuer-ID
Eine Nummer, sie alle zu finden
Datenschutz ade: 50 Behörden sollen Zugriff auf die Steuer-ID erhalten.
Wir schauen bei Google Maps, wo der Verkehr besonders zäh fließt, und wählen eine Route. Wir loggen uns bei Instagram mit unserem Facebook-Profil ein, weil wir da sowieso immer online sind. Wir lassen Whatsapp unser Adressbuch nach Kontakten durchforsten und geben Telegram den Zugriff auf unsere Fotos. Und plötzlich fordert Multimilliardär Elon »Tesla« Musk dazu auf, wegen veränderter Datenschutzrichtlinien von Whatsapp zum wesentlich besser geschützten Messenger Signal zu wechseln, und Tausende folgen ihm.
Schutz der persönlichen Daten versus praktische Handhabung - ein ewiges Dilemma. Der neueste Streitpunkt auf diesem Gebiet ist eigentlich ein ganz alter: Ende Januar hat der Bundestag das Registermodernisierungsgesetz verabschiedet. Am 5. März entscheidet der Bundesrat darüber. Mit dem Gesetz soll die Verwaltung modernisiert werden. Kernpunkt ist die Einführung eines Personenkennzeichens, manche nennen es auch Bürgernummer. Die Nummer selbst gibt es schon: Es ist die Steueridentifikationsnummer, die 2007 eingeführt wurde - schon damals unter Protest. Bisher hat nur das Finanzamt Zugriff auf die hinterlegten Daten. Doch das soll sich nun ändern: 50 weitere Institutionen von Einwohnermeldeamt bis Krankenkasse sollen über die Steuer-ID Daten hinterlegen und abrufen können.
Es klingt so praktisch
Die Bundesregierung verkauft das als »nutzerfreundlich«. Auf ihrer Homepage schreibt sie: »Behörden werden die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr stets erneut bitten müssen, Angaben wieder und wieder zu machen und Nachweise beizufügen, die an anderen Stellen der Verwaltung bereits vorliegen. Gemeint sind damit zum Beispiel eine Meldebescheinigung oder Geburtsurkunde.«
Das klingt praktisch. Und ist ein weiterer Schritt zum gläsernen Bürger. Datenschutzbeauftragte von Bund und Ländern warnen daher vor einer Ausweitung des Zugriffsrechts. Die Opposition sieht die Bürgernummer ebenso kritisch und hat sie im Bundestag abgelehnt. Auch NGOs machen mobil: Nachdem sich die Innenministerkonferenz im März 2020 geeinigt hatte, erhielt sie einige Monate später den Publikumspreis der Big Brother Awards, die »Oscars der Datenkraken«, ausgerichtet unter anderem von der Grundrechteorganisation Digitalcourage.
Sie alle sehen in dem Personenkennzeichen einen rechtswidrigen Eingriff in die Grundrechte. Sollte die Bürgernummer eingeführt werden, heißt es aus mehreren Richtungen, so ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass das Bundesverfassungsgericht sie wieder kippen wird. Den Aufwand könne man sich daher sparen.
Verwiesen wird auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Volkszählung in der BRD von 1983. Das Gericht entschied damals, dass die geplante Volkszählung in mehreren Punkten gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verstoße. »Freie Entfaltung der Persönlichkeit setzt unter den modernen Bedingungen der Datenverarbeitung den Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten voraus«, so das Gericht. Das Urteil gilt als Meilenstein des Datenschutzes.
In der DDR hingegen wurde 1970 eine Personenkennzahl eingeführt. Sie wurde nicht nur im Meldewesen verwendet, sondern in fast allen Bereichen der Datenverarbeitung. Nach der Wende wurde die Personendatenbank der DDR an die Anforderungen der westdeutschen Meldegesetze angeglichen, viele Daten wurden gelöscht.
Als Reaktion auf die Entscheidung der Innenministerkonferenz erklärten die Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder bereits im vergangenen August in einer gemeinsamen Stellungnahme, dass die Steuer-ID bisher nur deshalb als verfassungskonform gelte, weil ausschließlich die Steuerbehörden sie nutzten. Werde ihre Verwendung nun ausgedehnt, könnten die personenbezogenen Daten künftig zu einem umfassenden Persönlichkeitsprofil vervollständigt werden: Wer verdient was, hat welche Krankheiten, hat wann einen wie hohen Kredit aufgenommen, besitzt welche Waffen und ist wie oft durch die Führerscheinprüfung gefallen?
Das federführende Innenministerium passte nach der Kritik seinen Entwurf für das Registermodernisierungsgesetz an. Die Daten von Waffen- und Führerscheinen sollten nun nicht mehr über die neue Steuer-ID erfasst werden. Auch Schuldnerverzeichnisse, also beispielsweise die Schufa, wurden ausgeschlossen.
Darüber hinaus wurde ein sogenanntes 4-Corner-Modell eingeführt. Es soll verhindern, dass die Daten der verschiedenen Behörden - allzu leicht - zu einem umfassenden Persönlichkeitsprofil zusammengesetzt werden können. Daten sollen nicht direkt zwischen zwei Behörden ausgetauscht, sondern grundsätzlich über eine dritte Stelle gesendet werden - über eine Kontrollinstanz, die rechtlich und technisch prüft, ob die Übermittlung erfolgen darf und die den Datenaustausch zudem protokolliert. Darüber hinaus sollen Bürger entscheiden, welche Behörden auf die eigenen Daten zugreifen können. Über ein sogenanntes Datencockpit sollen sie zudem Einblick darüber erhalten, welche Behörde was an wen übermittelt.
Doch auch noch bei der öffentlichen Anhörung im Innenausschuss am 14. Dezember zeigte sich, dass die Änderungen Datenschützern nicht ausreichen. Bundesdatenschutzbeauftragter Ulrich Kelber erklärte, das Gesetz schaffe »ein system-inhärentes, übermäßiges Risiko der Katalogisierung der Persönlichkeit und bietet, auch mit den im Gesetzentwurf geplanten Maßnahmen zur technischen Absicherung, keinen ausreichenden Schutz vor Missbrauch sowohl nach innen als auch nach außen«. Kelber kritisiert auch das 4-Corner-Modell. Es entspreche nicht dem Stand der Technik.
Der stellvertretende Grüne Fraktionsvorsitzende Konstantin von Notz erklärte in der Bundestagsdebatte vom 28. Januar, die Bundesregierung baue »auf sandigem Boden«, wenn sie die Steuer-ID als Grundlage für die Verwaltungsmodernisierung nutze.
Widerstand im Bundesrat
Dabei gibt es verfassungskonforme Alternativen, zum Beispiel in Österreich. Dort wurde für jeden Bürger eine Stammzahl eingeführt. Für jede Behörde wird aus der Stammzahl per kryptografischem Verfahren eine bereichsspezifische Nummer generiert, aus der die Stammzahl nicht zurück errechnet werden kann.
Vor der Abstimmung im Bundestag am 28. Januar wandte sich Petra Pau in einer Rede nicht nur gegen die Steuer-ID als Personenkennzeichen. Die Linke-Politikerin kritisierte die schrittweise Aufhebung des Datenschutzes in den vergangenen 20 Jahren. »Ich habe es satt, seit 2001 beschließen Mehrheiten grundgesetzwidrige Gesetze, die in Karlsruhe kassiert werden.«
Tatsächlich hat das Verfassungsgericht immer wieder Entscheidungen des Bundestags als grundgesetzwidrig abgelehnt. Gesetze mussten entsprechend geändert werden. Der gläserne Bürger wurde dennoch immer mehr zur Realität. Um einen Überblick über die Maßnahmen zu bekommen, forderten Opposition und Fachexperten in dieser Woche die Bundesregierung auf, eine Methodik für die Einführung einer sogenannten Überwachungsgesamtrechnung zu entwickeln (»nd« berichtete). Das Ziel: mehr Transparenz und die Möglichkeit, Gesetze mit wissenschaftlichen Methoden und empirisch belastbar zu überprüfen.
Möglicherweise muss das Verfassungsgericht dieses Mal gar nicht ran. Die meisten Bundesländer werden von Koalitionen regiert, an denen Grüne, Linke oder FDP beteiligt sind. Die werden sich aller Voraussicht nach im Bundesrat enthalten. Dann war es das mit der Idee - vorerst.
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