Die Moxie-Revolte

Punk und Selbstermächtigung an der Schule: Amy Poehlers Film »Moxie. Zeit, zurückzuschlagen«

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 4 Min.

Filme und Serien über die US-amerikanische Highschool gibt es in Unmengen. Die meisten davon sind allerdings kaum feministisch, sondern reproduzieren eher - wenn auch mit dem einen oder anderen kritischen Unterton - stereotype Geschlechterrollen. Wohltuend anders ist da die neue Produktion »Moxie. Zeit, zurückzuschlagen«, die vom feministischen Ermächtigungsprozess einer ganzen Gruppe junger Schülerinnen erzählt. Die von Amy Poehler inszenierte Adaption des erfolgreichen Jugendbuchromans von Jennifer Mathieu mit dem gleichen Titel zeigt, wie aggressiv und feindselig der sexistische Alltag an den Senior-Highschools für die Klassen ab Jahrgangsstufe 10 ist. Da werden über Chatgruppen Listen herumgeschickt, auf denen Schülerinnen mit den übelsten sexistischen Zuschreibungen und Beleidigungen diffamiert werden. Veröffentlicht wird diese übergriffige Attacke, aus Sicht der männlichen Schüler nur ein »Scherz«, an der texanischen Kleinstadtschule Rockport High am ersten Schultag, wenn alle in der Turnhalle versammelt der Jahresauftaktrede der Direktorin lauschen. Die winkt aber nur hilflos ab, von sozialen Medien verstehe sie nichts.

Damit aber nicht genug: An der Rockport High werden Schülerinnen bedrängt, begrapscht, beleidigt, lächerlich gemacht und das meist von den männlichen Alphatierchen, die sakrosankt scheinen und tun können, was sie wollen. Das merkt auch die taffe Lucy aus der kalifornischen Bay Area, die neu an die Schule kommt und es nicht gewohnt ist, sich diese sexistische Mackergewalt einfach gefallen zu lassen. Ihrer Mitschülerin Vivian (Hadley Robinson), die sich bisher eher unterordnete, reicht es mittlerweile ebenfalls. Zuhause wird sie zufällig auf die Vergangenheit ihrer Mutter (gespielt von Amy Poehler) als »Riot Girl« aufmerksam. Im Schrank findet Vivian nicht nur »Riot Grrrl«-Punkplatten und eine Lederjacke, sondern auch jede Menge linksradikaler feministischer Zines aus den 1990er Jahren. Inspiriert von ihrer mittlerweile recht bürgerlich daherkommenden, aber im Grunde coolen Mutter macht sie mit dem »Bikini Kill«-Hit »Rebel Girl« im Hintergrund selbst ein Zine, das die untragbaren Zustände an der Highschool und die Täter namentlich anprangert - allen voran Mitchell (Patrick Schwarzenegger). Vivian verteilt anonym Kopien an der Schule und erlebt eine überwältigende Resonanz.

»Moxie. Zeit, zurückzuschlagen« ist als konventioneller Highschool-Genrefilm inszeniert, nur dass es hier coole Schülerinnen sind, die in einer Auseinandersetzung mit den Autoritäten für Veränderung sorgen. Die männlichen Schüler sind (fast alle) konservative Bremser. Erst sind es mit Filzstift auf die Hände gezeichnete Sterne, um sich als Teil der Moxie-Revolte erkennbar zu machen, am Ende stürmt aber dann trotz Androhung des Rauswurfs die halbe Schule aus den Klassenzimmern und versammelt sich zu einer Kundgebung vor dem Schulgebäude. Der Film zeigt nicht nur, welche Überwindung es kosten kann, sich so etwas zu trauen, sondern auch, wie schwierig es ist, sich gegen bestehende Regeln kollektiv aufzulehnen. Es kommt immer wieder zu heftigem Streit unter denen, die eigentlich solidarisch zusammenhalten wollen, wodurch auch schnell das ganze emanzipatorische Projekt infrage steht. Wie sich Vivian, Lucy, Claudia, Kiera und all die anderen dann doch wieder zusammenraufen und versuchen, im Zuge einer Wahl des beliebtesten Sportlers etwas anderes als den weißen Mittelstandburschen als Identifikationsfigur durchzusetzen, zeigt dieser popkulturelle Unterhaltungsfilm mit reichlich Punkmusik und Wortwitz.

Dabei zeigt der Film auch, dass sowohl feministisches Aufbegehren als auch ein gemeinsames Kämpfen gegen den bestehenden Status quo mittlerweile Kernthemen der Kulturindustrie geworden sind. Denn bald geht es an der Rockport High auch um das Thema Rassismus, der im Alltag der Oberschule eng mit dem sexistischen Normalvollzug verknüpft ist. Dass nicht alle Schülerinnen die gleichen Privilegien besitzen, sondern es für die weißen Kids einfacher und ungefährlicher ist, sich aufzulehnen, thematisiert »Moxie. Zeit, zurückzuschlagen« auch. Wobei die Frage von sozialer Herkunft und Klasse leider ausgeblendet bleibt.

Diese derzeit immer wieder anzutreffende politische Dimension in Film- und Serienproduktionen kann im schlimmsten Fall reines »Woke-Washing« sein, weil damit vor allem Quote und Umsatz gemacht wird. Es ist aber auch Ausdruck eines Aufbegehrens, das in den vergangenen Jahren unzählige Frauen gegen die Rechten und im vergangenen Jahrzehnt weltweit auch Millionen von jungen Menschen auf die Straßen und Plätze brachte - und nun Teil einer gesellschaftspolitischen Wirklichkeit geworden ist, die als solche auch im Film eine Rolle spielt. Gleichzeitig ist »Moxie. Zeit, zurückzuschlagen« auch ein subkulturell wundervoll inszenierter Film über die Post-Punk-Kultur und setzt dabei nicht nur ein radikales Dagegenhalten in Szene, sondern zeigt auch, dass es möglich ist, sich gemeinsam gegen Unterdrückung aufzulehnen. Es geht darin aber natürlich auch um den ganz normalen Teenagerfrust, darum, sich gegen nervige und autoritäre Eltern zu wehren, ums Verliebtsein, um queeres Begehren im feministischen Kampf und um jede Menge Punkmusik, die als Soundtrack durch diesen durchaus empfehlenswerten Film dröhnt.

»Moxie. Zeit, zurückzuschlagen« ab 3. März auf Netflix verfügbar.

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