Trinkertreff soll austrocknen
Hannover: Begegnungsort für Alkoholkranke werden drastisch die Mittel gekürzt
Bewusst meiden nicht wenige Besucher des Hauptbahnhofs in Hannover dessen hintere Türen. Führen sie doch zu einem Areal, das als Sammelplatz der Trinkerszene gilt. Nicht selten gibt es dort Streitereien. Das Diakonische Werk der evangelischen Kirche wollte die Situation »entschärfen« und zugleich jenen Menschen einen Rückzugsort bieten, die unter ihrem Hang zum Alkohol leiden. Vor allem für sie hatte die soziale Einrichtung 2017 nahe dem Bahnhof einen Treffpunkt namens »Kompass« gegründet, in dem auch mitgebrachtes Bier oder Wein getrunken werden darf und in dem es Beratungsangebote gibt. Ihn wird die Landeshauptstadt nun wohl finanziell austrocknen.
Im elfköpfigen Sozialausschuss der Kommune, die politisch von einer Ampel-Koalition aus SPD, FDP und Grünen geführt wird, entschied die Mehrheit unlängst: Die Unterstützung des »Kompass« wird von jährlich knapp 400 000 auf künftig 60 000 Euro eingedampft. Die eingesparten 340 000 Euro sollen dem Obdachlosen-Treffpunkt »Mecki-Laden« zugute kommen, der auch vom Diakonischen Werk getragen wird und wegen starker Inanspruchnahme in größere Räume umziehen will. In Räume, die aber noch gar nicht gefunden sind.
Entsetzt berichtet Ursula Büchsenschütz, Leiterin der Zentralen Beratungsstelle, die das Diakonische Werk betreibt: Man sei dort »völlig überrascht« worden von den geplanten Streichungen. Die neue Heimat des »Mecki-Ladens« sei doch noch unklar, warum solle jetzt schon der dringend notwendige Tagestreff »Kompass« schließen, zitiert die »Hannoversche Allgemeine Zeitung« die Diakonie-Frau. Zumal man die Klientel von »Mecki« und »Kompass« nicht vergleichen und kaum »mischen« könne, warnt Büchsenschütz. Wohl wissend, dass im politischen Raum Überlegungen zur »Fusion« beider Treffpunkte herumschweben. Von solchen Plänen weiß auch Dirk Machentanz von den Linken in Hannovers Rat. Im »Kompass« sorgen fünf geschulte Sozialarbeiter*innen für die Betreuung der diesen Treff aufsuchenden Menschen, gibt er zu bedenken. Eine Schließung wäre »ein Tritt ans Schienbein der Ärmsten der Armen«.
Diesen »Tritt« in Form drastischer Geldkürzung begründete der Sozialausschuss unter anderem mit dem Hinweis, »die sozial- und ordnungspolitische Zielsetzung« sei »nicht dauerhaft im erwünschten Umfang erreicht« worden. Hatten sich die Mitglieder des Gremiums erträumt, ein Begegnungsraum, in dem zu »normalen« Zeiten 35 Menschen, während der Coronakrise aber nur neun Besucher Platz finden, könne die gesamte Trinkerszene vom Areal hinter dem Bahnhof weglocken? Der »Kompass« war gleich nach seiner Eröffnung dabei gut angenommen worden. Das hatte selbst der Sozialausschuss 2018 auf einer Sitzung resümiert.
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