Das Gewürz im Getriebe

»Besser Salz fördern als Atommüll lagern« so das Motto der Salinas Salzgut GmbH - diese löst sich nun nach einem Vierteljahrhundert auf

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 4 Min.

Mal blockierte eine Schafherde die Castor-Strecke, mal stoppten Landwirte mit quergestellten Traktoren eine Atommüllfuhre, mal demonstrierten die Atomkraftgegner als Karnevalisten verkleidet: Der Widerstand gegen die Atomanlagen im Wendland war meistens witzig und fantasievoll. Auch im Jahr 1996 hatten Aktivisten eine ungewöhnliche Idee: Sie gründeten eine Firma, die Salz im Gorlebener Salzstock abbauen und vermarkten sollte, um dadurch die weitere Erkundung des Salzstockes zum Endlager stoppen zu stoppen.

»Besser Salz fördern als Atommüll lagern«, lautete das Motto der Salinas Salzgut GmbH. Nach knapp 25 Jahren sehen die Gesellschafter das primäre Ziel des Unternehmens erreicht. Denn der Salzstock Gorleben wurde im vergangenen September schon in der ersten Runde des neu gestarteten Suchverfahrens wegen geologischer Mängel aus der Liste potenzieller Endlagerstandorte gestrichen. Bei Gründung der Salinas Salzgut GmbH firmierte Gorleben offiziell noch als Forschungsbergwerk. Wirtschaftliche Tätigkeiten wie eben die Salzförderung hätten eigentlich Vorrang vor einer wissenschaftlichen Erkundung des Salzstocks gehabt. Zumal das Grundstück mit Andreas Graf von Bernstorff einem entschiedenen Gegner der geplanten Atomanlagen gehörte.

»Wir wollten den Salzstock Gorleben-Rambow für etwas Sinnvolles nutzen und damit gleichzeitig den unsinnigen Plan der Atomindustrie verhindern, dort hoch radioaktive Abfälle zu lagern«, beschrieb Christian Schön, Geschäftsführer der Salinas Salzgut GmbH, dieser Tage im Internetmagazin »wendland-net.de« das zentrale Anliegen des Projekts. Doch die Behörden behinderten das Vorhaben des jungen Unternehmens nach Kräften.

Zunächst in Form von Verboten. Dann - als Gerichte den Weg für eine Salzförderung freimachten - durch eine eigens extra für diesen Fall neu geschaffene Rechtsverordnung, die sogenannte »Lex Salinas«: 2004 wurde in das novellierte Atomgesetz ein Passus eingefügt, um Dritte zu hindern, in Gorleben Salz abzubauen. 2005 erließ die Bundesregierung eine sogenannte Veränderungssperre für den Salzstock, diese untersagte Veränderungen unterhalb einer Tiefe von 50 Metern. Schließlich wurde auch eine Sicherungsvorschrift ins Standortauswahlgesetz eingebaut. Danach müssen Gebiete, die für die Endlagerung in Betracht kommen, vor bergbaulichen Tätigkeiten geschützt werden.

Geschäftsführer Schön ist trotzdem überzeugt, dass Salinas der Atomindustrie Stolpersteine in den Weg gelegt, und das Endlagerprojekt deutlich verzögert habe. »So hat unser Unternehmen daran mitgewirkt, dass eine gravierende politische Fehlentscheidung letztlich zurückgenommen werden musste«, sagt Schön. Jetzt, nach dem Ausschluss von Gorleben aus dem Suchverfahren, wäre der Weg im Prinzip frei für Geschäftsziel Nummer Zwei, die Förderung und den Verkauf von Salz.

Doch ein Vierteljahrhundert nach der Firmengründung haben sich durch die aktuellen Ereignisse die Marktbedingungen für das Unternehmen grundlegend verändert: »Denn gerade nach dem Aus für Gorleben ist Salins eine wichtige Käufergruppe weggebrochen«, schreibt die Firma. »Unsere potenziellen Kunden sind jetzt nämlich vor allem daran interessiert, dass das bestehende Erkundungsbergwerk für ein Endlager in Gorleben so schnell wie möglich wieder zugeschüttet wird. Diese Auffassung teilen wir. Und vor diesem Hintergrund würde die Errichtung eines neuen Bergwerks - sei es auch für unser Vorhaben - ein falsches Zeichen setzen.«

Ein Unternehmen aufrechtzuerhalten, das so gut wie keine Umsätze macht, hielten die Salinas-Gesellschafter für nicht machbar. Ohnehin wurde der Betrieb jahrzehntelang hauptsächlich durch Spenden und Eigeneinlagen aufrecht gehalten. Jetzt war eine finanzielle Untergrenze erreicht, sodass die Liquidierung der GmbH beschlossen wurde.

Salz verkauft hat Salinas im Übrigen trotzdem. Es stammt allerdings nicht aus Gorleben, sondern aus der Saline Luisenhall in Göttingen. Die Solequelle liegt in fast 500 Metern Tiefe. Gewonnen wird das Salz im schonenden Pfannensiedeverfahren, das sonst nirgendwo in Europa mehr angewendet wird.

Herzstücke der Produktion in Göttingen sind drei riesige Pfannen aus Kesselblech. Von Kohleöfen befeuert, sieden sie die Sole bei etwa 70 Grad. Auf der Oberfläche bilden sich Salzkristalle, schweben durch das Becken und sacken dann auf den Boden. Eine Zentrifuge schleudert den Salzbrei kräftig durch und trennt ihn in flüssige und feste Bestandteile. Zum Abschluss wird das Salz getrocknet, von Rüttelsieben nach verschiedenen Korngrößen sortiert und verpackt.

Ein Teil dieses Salzes wurde an die Salinas Salzgut GmbH geliefert und von dieser weiter vertrieben. Die Liebhaber des Produktes müssen nicht sofort auf den Stoff verzichten. Die Restbestände werden über das Unternehmen »Bio im Wendland« noch eine ganze Weile verkauft.

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