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Mit Krimsekt auf der VIP-Tribüne
BallHaus Ost
Das schöne Städtchen Shkodra liegt im Norden Albaniens. Es beherbergt mit der Sportgesellschaft Brüderlichkeit Shkodra, albanisch KS Vllaznia Shkodra, den ältesten Fußballklub des Landes. Im September 2017 absolvierte im dazugehörigen Loro-Boriçi-Stadion die kosovarische Nationalmannschaft ein WM-Qualifikationsspiel gegen Finnland. Grund für uns, nach einem netten Abstecher an die albanische Mittelmeerküste dieses Spiel im Spätsommer mitzunehmen.
Die albanischen Straßen gleichen Abenteuerpisten, wer unter Höhenangst leidet, keine gewagten Kuh-Ausweich-Manöver mag, dennoch aber einen robusten Magen hat, sollte die Fahrt mit verbundenen Augen auf der Rückbank verbringen.
Neben den obligatorischen wilden Müllplätzen und unzähligen Bauruinen fielen uns am Wegesrand die superkitschigen Hochzeitsburgen mit reichlich Plüsch und Plastik auf. Albaner feiern gern bombastische Hochzeiten. Manche Paare erneuern ihren Bund alle paar Jahre mit einem großen Fest. Dieser Trend soll zeitweilig zu massiven Überschuldungen ganzer Familien führen, weil jeder natürlich das beste - also das teuerste - Fest auf die Beine stellen will.
Albanien ist ein großartiges Land mit freundlichen Menschen. Gigantische, an den Häusern aufgehängte Plüschtiere vertreiben böse Geister, Esel nagen am Müll, Autowaschanlagen alle paar Meter verheißen zudem Sauberkeit.
Auch Shkodra hat sich in den vergangenen Jahren fein herausgeputzt, die Stadt ist porentief rein, am Ende der hübsch restaurierten Fußgängerzone thront die blank gegriffene Statue Mutter Teresas, und die Blutrache wurde von der Bürgermeisterin Shkodras in den Nullerjahren fast ausgerottet. Die einzigen Schreihälse waren die finnischen Fußballfans, die natürlich in unserem Hotel wohnen mussten. Ich kannte die Finnen bisher nur als depressive Trinker und war überrascht, wie wenig sich die finnischen von ihren deutschen Sauf- und Raufbrüdern unterschieden.
Bevor ihr mal hier zum Fußball geht, besteigt unbedingt die Burgruine Rozafa. Drei Brüder bauten die Burg. Jede Nacht stürzten die von ihnen frischhochgezogenen Mauern wieder ein. Ein seltsamer Alter riet ihnen, eine Frau einzumauern, das hätte schon immer geholfen. Welche ihrer Ehefrauen am nächsten Tag zuerst das Mittagessen brächte, sollte eingemauert werden. Die beiden älteren Herrn warnten ihre Ehefrauen, der jüngste vertraute seinen Brüdern, hmmm. Als seine Frau Rozafa mittags auf dem Bauplatz erschien, ward ihr Schicksal besiegelt. Um ihr Kind weiter stillen zu können, bat sie darum, eine ihrer Brüste, einen Arm und ein Bein nicht einzumauern. So konnte sie es weiter stillen, streicheln und mit dem Bein die Wiege schaukeln.
Zurück zum Fußball: Vorm Stadion feierten Albaner, Kosovaren und Finnen gemeinsam ein kleines Fest. Polizistinnen passten auf, dass keiner unter die Räder kam. Eine besonders nette Polizistin brachte uns zum Presseeingang, wo ich mit viel Geschrei (Ich bin Daniel Kehlmann, lassen sie mich durch!) das Treiben verrückt machte, um kurz darauf mit meiner Freundin und einem eingesammelten Deutschen die gedeckte Tafel im VIP-Raum im Sturm zu entern. Leben wie Gott in Albanien! Ich weiß nicht, ob es am Viel-Kehlmann-Geschrei-um-Nichts lag, oder ob die Leute einfach nur nett waren.
Das Spiel gewann schließlich Finnland im halb vollen Stadion mit 1:0, indes wir von oben auf Stadt und Menschen guckten, unseren wohlverdienten Krimsekt nuckelten und etwa fünfzig Finnen (die alle in unserem Hotel wohnten und die ganze Nacht krakelten) beim Betrunkenwerden zuschauten.
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