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Wirtschaft hat Faxen dicke
Unternehmerverbände fordern digitalen Wandel in Schulen, Verwaltung und Kliniken
Ein Jahr nach dem Beginn der Corona-Pandemie und ein halbes Jahr vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus im September wollen Berlins Wirtschaftsunternehmen den Blick in die Zukunft richten und künftige Wegmarken zur Überwindung der Corona-Folgen definieren. Ihre Erwartungen an die Politik adressierten sie am Mittwoch an einen erst noch zu wählenden Berliner Senat.
Auf einer Onlinepressekonferenz legte die Vereinigung der Unternehmerverbände Berlin-Brandenburg (UVB) mit dem Positionspapier »Zukunft gestalten. Neues wagen« einen Forderungskatalog vor. Dieser ist in weiten Teilen zugleich Ausdruck ihrer Unzufriedenheit mit zentralen Projekten der regierenden rot-rot-grünen Koalition, allem voran der Mietendeckel. Aber auch der Umgang mit Themen wie Bildung und Mobilität stießen auf Kritik oder gar Ablehnung.
UVB-Hauptgeschäftsführer Christian Amsinck machte klar, dass die Unternehmen in Berlin für die neue Legislaturperiode im Abgeordnetenhaus auf mehr Freiraum und Entfaltungsmöglichkeiten für die Wirtschaft setzen, um die Folgen der Pandemie überwinden und die Trends der kommenden Jahre meistern zu können. Der 2020 durch Corona bedingte Einbruch des Wirtschaftswachstums werde 2021 nicht vollständig aufzuholen sein, man werde damit auch im kommenden Jahr zu tun haben, sagte Amsinck. »Der Schlüssel für neues Wachstum und Jobs sind Innovationen. Berlin hat hier viel Potenzial«, so der Unternehmer. »Die nächste Regierung muss für Rückenwind sorgen, damit die Wirtschaft ihre Chancen optimal nutzen kann.«
Berlin stehe vor einer Vielzahl von Herausforderungen, die Leben und Arbeiten aber auch die Anforderungen an Politik verändern werden. Dazu zählten laut Amsinck insbesondere die Themen Digitalisierung, demografische Entwicklung und Klimawandel, auf die auch die Firmen Antworten finden müssten. »Wir brauchen dazu eine Politik des Ermöglichens, die den Erfindergeist und die Kreativität fördert. Eine Politik des Dirigismus und der staatlichen Verbote bringt uns nicht weiter«, betonte der UVB-Chef.
Große Sorge bereitet den Unternehmerverbänden die Sicherung des Fachkräftenachwuchses und das in seinen Augen zu langsame Aufholen bei modernen Schlüsseltechnologien. Im UVB-Papier wird daher eine deutliche Verbesserung des Transfers von Forschungsergebnissen in die Betriebe gefordert. Dazu seien stärkere finanzielle Anreize in den Hochschulverträgen nötig. Auch müsse die Forschung stärker an Zukunftsorten wie der neuen Siemensstadt oder Adlershof präsent sein. Mit ihren Start-ups und dem Zukunftsthema Künstliche Intelligenz stehe die Berliner Wirtschaft im Bundesvergleich weit vorne. »Hier gilt es, die Akteure aus Industrie, Gründerszene und Wissenschaft noch enger zu vernetzen«, riet Amsinck.
Zur Beschleunigung des digitalen Wandels erwartet die Wirtschaft von der nächsten Regierung, dass künftig eine Digitalsenatorin oder einen Digitalsenator das Thema in der Senatskanzlei ressortübergreifend vorantreiben soll. »Überall, wo der Staat in der Verantwortung war, ist die Digitalisierung enttäuschend verlaufen«, so Amsinck. Der Nachholbedarf sei groß - ob in der Bildung, bei der digitalen Infrastruktur, in der Verwaltung oder im Gesundheitssektor.
Dringenden Handlungsbedarf sieht der UVB bei den Schulen. Berlin gebe im Bundesvergleich am meisten Geld pro Schüler aus, habe aber die schlechtesten Ergebnisse. Ein wichtiger Ansatzpunkt sei hier, die Lehrkräfte für das digitale Lernen zu qualifizieren.
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