- Politik
- Corona-Newsblog
Bund mahnt zu »absoluter Vorsicht« bei Corona-Lockerungen
Der Newsblog zur Coronakrise - Freitag, 12. März 2021: +++ Zahl der Corona-Neuinfektionen und Inzidenz steigen erneut +++ Biden will Impfstoffe bis Mai freigeben +++
Berlin. Die Bundesregierung hat angesichts wieder steigender Infektionszahlen erneut Vorsicht bei Lockerungen des Corona-Lockdowns angemahnt. Bei den jüngsten Bund-Länder-Beschlüssen zu möglichen Öffnungsschritten sei allen klar gewesen, »dass wir keineswegs in einer komfortablen Lage sind«, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin. Alle Öffnungsschritte seien »mit absoluter Vorsicht und Umsicht« zu treffen, ganz wichtig sei zudem eine vorgesehene »Notbremse« bei hohem Infektionsgeschehen.
Schutzmaßnahmen wie Abstand und Masken sowie das Arbeiten von zu Hause blieben unbedingt notwendig, sagte Seibert. Ziel müsse sein, eine dritte Corona-Welle möglichst flach zu halten und die Zahlen nicht wieder steil nach oben schnellen zu lassen. Mit Blick auf schon erfolgte Öffnungen in Schulen und Kitas sei es die Verantwortung der Länder, dort begleitend auch mehr Corona-Tests zu organisieren.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten wollen am 22. März erneut über das weitere Vorgehen beraten.
+++ Mehr Flexibilität gefordert +++
Berlin. Der Intensivmediziner Christian Karagiannidis hat mehr Spielraum bei der Impfreihenfolge gefordert, sobald der Corona-Impfstoff in den Arztpraxen verfügbar ist. »Nichts ist schlimmer, als dass Impfdosen am Ende eines Arbeitstages übrig bleiben oder im Müll landen«, sagte der wissenschaftliche Leiter des Intensivregisters der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) der »Rheinischen Post«. Dann sei es besser, wenn der Arzt ihm bekannte Patienten anrufe, ob sie spontan zur Impfung kämen.
Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern peilen den Start von Corona-Impfungen in den Arztpraxen bis spätestens Mitte April an. Ziel sei, frühestmöglich, jedoch spätestens in der Woche vom 19. April damit zu starten.
Mit Blick auf eine dritte Corona-Welle sagte Karagiannidis, dass genug Kapazitäten vorhanden seien, um eine leichte Infektionswelle zu verkraften. Eine starke dritte Welle wäre hingegen eine Katastrophe, weil die Zahl der freien Betten derzeit nicht rasch genug steige und das Personal erschöpft sei.
+++ Biden will Impfstoffe bis Mai freigeben +++
Washington. US-Präsident Joe Biden will die Staffelung nach Impfgruppen in der Coronavirus-Pandemie aufheben und Impfstoffe spätestens bis zum 1. Mai für alle Erwachsenen in den USA freigeben lassen. Biden werde eine entsprechende Anordnung an die Bundesstaaten bei seiner ersten großen Fernsehansprache zur Hauptsendezeit am Donnerstagabend (20.02 Uhr Ortszeit/2.02 Uhr MEZ) ankündigen, teilte das Weiße Haus mit. Ziel sei es, die USA bis zum Unabhängigkeitstag am 4. Juli »der Normalität näher zu bringen«.
Sobald die Impfstoffe für alle freigegeben seien, werde die Regierung sicherstellen, dass tatsächlich auch jeder Erwachsene eine Impfung erhalten könne, teilte das Weiße Haus mit. Unter anderem solle die Zahl der Apotheken und der Gesundheitszentren, in denen Impfungen verabreicht werden, deutlich erhöht werden.
+++ Die dritte Welle ist da +++
Berlin. Die Gesundheitsämter in Deutschland haben dem Robert Koch-Institut (RKI) binnen eines Tages 12.834 Corona-Neuinfektionen gemeldet - das sind 2254 mehr, als vor genau einer Woche. Das geht aus Zahlen des RKI vom Freitag hervor. Auch die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner (Sieben-Tage-Inzidenz) lag am Freitagmorgen mit 72,4 deutlich höher als am Vortag (69,1). Die Daten geben den Stand des RKI-Dashboards von 05.20 Uhr wieder, nachträgliche Änderungen oder Ergänzungen sind möglich.
Zudem wurden innerhalb von 24 Stunden 252 weitere Todesfälle verzeichnet. Vor genau einer Woche hatte das RKI binnen eines Tages 10.580 Neuinfektionen und 264 neue Todesfälle verzeichnet. Bereits am Donnerstag hatte es einen deutlichen Anstieg der Corona-Neuinfektionen im Vergleich zur Vorwoche und der Sieben-Tage-Inzidenz im Vergleich zum Vortag gegeben.
Vor vier Wochen, am 12. Februar, hatte die Sieben-Tage-Inzidenz noch bei 62,2 gelegen. Die Zahl der neuen Ansteckungen in Deutschland war im Januar und Februar über Wochen deutlich zurückgegangen. Zuletzt stagnierte sie allerdings und stieg dann wieder an, was auch an der Verbreitung ansteckenderer Varianten liegen könnte.
Der Höchststand von 1244 neu gemeldeten Todesfällen war am 14. Januar erreicht worden. Bei den binnen 24 Stunden registrierten Neuinfektionen war mit 33.777 am 18. Dezember der höchste Wert erreicht worden - er enthielt jedoch 3500 Nachmeldungen.
Das RKI zählte seit Beginn der Pandemie 2.545.781 nachgewiesene Infektionen mit Sars-CoV-2 in Deutschland. Die tatsächliche Gesamtzahl dürfte deutlich höher liegen, da viele Infektionen nicht erkannt werden. Die Zahl der Genesenen gab das RKI mit etwa 2.345.600 an. Die Gesamtzahl der Menschen, die an oder unter Beteiligung einer nachgewiesenen Infektion mit Sars-CoV-2 gestorben sind, stieg auf 73.062.
Der bundesweite Sieben-Tage-R-Wert lag laut RKI-Lagebericht vom Donnerstagabend bei 1,04 (Vortag 0,96). Das bedeutet, dass 100 Infizierte rechnerisch 104 weitere Menschen anstecken. Der Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen vor 8 bis 16 Tagen ab. Liegt er für längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab; liegt er anhaltend darüber, steigen die Fallzahlen.
+++ EMA gibt grünes Licht für Johnson & Johnson-Impfstoff +++
Den Haag. Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA hat grünes Licht für die Zulassung des Corona-Impfstoffs des US-Pharmakonzerns Johnson & Johnson in der EU gegeben. Damit stehe in der EU nun erstmals ein Corona-Impfstoff zur Verfügung, bei dem nur eine Dosis erforderlich ist, erklärte EMA-Chefin Emer Cooke am Donnerstag. Die endgültige Entscheidung über die bedingte Marktzulassung trifft die EU-Kommission, dies gilt jedoch als reine Formsache.
+++ Auch Norwegen setzt Impfungen mit Astrazeneca-Vakzin aus +++
Oslo. Nach Dänemark hat am Donnerstag auch Norwegen den Gebrauch des Corona-Impfstoffs von Astrazeneca ausgesetzt. Zur Begründung verwies Geir Bukholm von der Nationalen Gesundheitsbehörde in Oslo auf Hinweise auf mögliche gefährliche Nebenwirkungen des Impfstoffs: »Wir warten auf mehr Informationen, um zu prüfen, ob es einen Zusammenhang gibt zwischen der Impfung und diesem Blutgerinnsel-Fall«, sagte er.
Das Bundesgesundheitsministerium in Berlin sah am Donnerstag zunächst keinen Anlass für einen Stopp der Astrazeneca-Impfungen in Deutschland. »Nach jetzigem Stand gibt es noch keine Hinweise darauf, dass der Todesfall in Dänemark mit einer Corona-Impfung ursächlich in Verbindung steht«, erklärte ein Ministeriumssprecher am Donnerstag. »Aktuell untersuchen die europäischen Arzneimittelbehörden den Fall.«
Das für Impfstoffe zuständige Paul-Ehrlich-Institut erklärte, es stehe mit der dänischen Arzneimittelbehörde und der EMA in Kontakt und untersuche »die Sachlage« in Deutschland. Bisher habe die EMA bei ihren Untersuchungen festgestellt, dass die Zahl der Thromboembolien niedriger sei als bei der Zahl von Impfungen zu erwarten wäre.
+++ Dänemark setzt Impfungen mit Astrazeneca-Impfstoff aus +++
Kopenhagen. In Dänemark wird vorübergehend niemand mehr mit dem Corona-Impfstoff des britisch-schwedischen Unternehmens Astrazeneca geimpft. Grund dafür seien Berichte über schwere Fälle von Blutgerinnseln bei Personen, die mit dem Mittel gegen Covid-19 geimpft worden seien, teilte die dänische Gesundheitsverwaltung am Donnerstag mit. Die europäischen Arzneimittelbehörden hätten vor dem Hintergrund eine Untersuchung des Impfstoffes eingeleitet.
Nach Behördenangaben wird der Stopp zunächst 14 Tage dauern, danach wird geschaut, wie es weitergeht. Es sei wichtig zu unterstreichen, dass man den Astrazeneca-Impfstoff nicht ablehne, sondern die Verabreichung aussetze. Es sei gut dokumentiert, dass das Mittel sowohl sicher als auch effektiv sei. Man müsse jedoch auf Berichte zu möglichen ernsthaften Nebenwirkungen reagieren.
Regierungschefin Mette Frederiksen bestätigte Reportern vor einem Krankenhaus im dänischen Herlev, dass die Verabreichung des Astrazeneca-Impfstoffes unterbrochen werde. Dies sei ärgerlich, da man stark davon abhängig sei, dass alle geimpft würden. Gesundheitsminister Magnus Heunicke sprach ebenso wie die Gesundheitsverwaltung von einer Vorsichtsmaßnahme. Die Vorfälle sollten gründlich untersucht werden, schrieb er auf Twitter.
Astrazeneca gab sich zunächst zurückhaltend. Man sei sich der dänischen Entscheidung bewusst, sagte ein Sprecher des britisch-schwedischen Pharmakonzerns. »Die Sicherheit des Impfstoffs ist in klinischen Phase-III-Studien ausführlich untersucht worden und die von Experten begutachteten Daten bestätigen, dass der Impfstoff generell gut verträglich ist«, hieß es auf Anfrage.
+++ Ramelow wirbt für Bestellung von Sputnik-Impfstoff +++
Erfurt. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hat dafür geworben, den russischen Corona-Impfstoff Sputnik V zu bestellen. »Für mich ist der Sputnik-Impfstoff eine große Chance, wieder schneller zur Normalität zurückzukehren«, sagte der Linken-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe. »Ich appelliere an die Bundesregierung, gegenüber der EU deutlich zu machen, dass jetzt bei den Produzenten von Sputnik entsprechende Impfmengen geordert werden sollten.«
Die Europäische Arzneimittelagentur prüft Sputnik V derzeit. Die EU-Kommission hatte vergangene Woche klargestellt, dass sie mit den Sputnik-Herstellern derzeit nicht über einen Lieferrahmenvertrag für alle 27 EU-Staaten verhandelt.
+++ Zahl der Neuinfektionen und Sieben-Tage-Inzidenz steigen +++
Berlin. Die Gesundheitsämter in Deutschland haben dem Robert Koch-Institut binnen eines Tages 14.356 Corona-Neuinfektionen gemeldet - und damit 2444 mehr als vor genau einer Woche. Auch die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner (Sieben-Tage-Inzidenz) stieg mit 69,1 im Vergleich zum Vortag (65,4) an.
Zudem wurden innerhalb von 24 Stunden 321 weitere Todesfälle verzeichnet. Vor genau einer Woche hatte das RKI binnen eines Tages 11.912 Neuinfektionen und 359 neue Todesfälle registriert.
+++ Giffey warnt vor Aufweichung der Impf-Prioritätenliste +++
Augsburg. Bundesfamilien- und Seniorenministerin Franziska Giffey (SPD) warnt vor einer Aufweichung der Prioritätenlisten für die Corona-Impfungen zulasten älterer Menschen und anderer Risikogruppen. »Ältere Menschen müssen bei der Impfung ganz besonders im Blick bleiben, weil sie die am stärksten gefährdete Gruppe sind - so sieht es auch die Impfverordnung vor«, sagte Giffey der »Augsburger Allgemeinen« (Donnerstag). Diese Priorisierung habe sich bereits jetzt bewährt: Die schnelle Impfung in Pflegeeinrichtungen zeige Wirkung.
+++ RKI-Chef Wieler: Dritte Corona-Welle hat begonnen +++
Genf. Ein Jahr nach der Erklärung einer Pandemie durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat in Deutschland nach Überzeugung des Robert-Koch-Instituts die dritte Corona-Welle begonnen. »Wir haben ganz klare Anzeichen dafür: In Deutschland hat die dritte Welle schon begonnen«, sagte RKI-Präsident Lothar Wieler im Gespräch mit der UN-Journalistenvereinigung (ACANU) in Genf. »Ich bin sehr besorgt.« Die strikte Anwendung von Schutzmaßnahmen wie Maske tragen und Abstand halten sei trotz Impfungen weiter dringend nötig.
+++ EMA entscheidet über Johnson-Impfstoff +++
Amsterdam. Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) entscheidet heute über den vierten Corona-Impfstoff in der EU. Es wird erwartet, dass die Behörde mit Sitz in Amsterdam die Zulassung des Impfstoffes des US-Herstellers Johnson & Johnson empfehlen wird. Dann muss zwar noch die EU-Kommission zustimmen - doch das gilt als Formsache und könnte noch am selben Tag erfolgen.
Die EU-Kommission hat bereits Impfdosen für 200 Millionen Menschen bestellt. Davon würde Deutschland 36,7 Millionen erhalten. Allerdings gibt es Befürchtungen, dass das Unternehmen nicht rechtzeitig liefern könne. Der Hersteller sicherte zu, dass er sich an die Absprachen halten und ab April liefern werde. Agenturen/nd
In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!