Zu wenig Geld für die Klimaziele

BIM-Geschäftsführer Sven Lemiss fordert mehr Mittel für die Sanierung landeseigener Gebäude

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 5 Min.

Es ist ein hartes Ringen in der Koalition um die Reduktion von CO2-Emissionen, um die Klimaziele zu erreichen. Im Gebäudebereich scheint der Knoten geplatzt, das Gesetz zur Solarpflicht auf Dächern von Neubauten und sanierten Gebäuden wird nun im Abgeordnetenhaus behandelt. Wie sieht es mit Solarzellen beim landeseigenen Gebäudeverwalter, der BIM aus?
Die großen Dachflächen, bei denen es möglich war, sind inzwischen mit Photovoltaik ausgerüstet. Die Stadtwerke sind dabei ein toller Partner für uns, weil wir mit ihnen schnell und ohne Ausschreibungen die Projekte umsetzen können. Inzwischen sind Solarzellen mit einer Spitzenleistung von 14 Megawatt auf unseren Dächern installiert, das sind 12 Prozent der kompletten in Berlin aufgebauten Leistung. Darauf sind wir schon ein bisschen stolz.

Wird da also nicht mehr viel kommen?
Es gibt noch Potenzial, zum Beispiel bei einem so großen Sanierungsprojekt wie dem Haus der Statistik am Alexanderplatz. Und die Technik entwickelt sich ebenfalls weiter. Das heißt, wir schauen immer wieder neu, ob sich bestimmte Dächer nun vielleicht doch eignen. Generell kann man aber sagen, werden die Flächen eher kleiner.

Sven Lemiss
Seit 2006 ist der studierte Ingenieur für technische Gebäudeausrüstung Geschäftsführer der landeseigenen BIM Berliner Immobilienmanagement GmbH. Sie ist für über 700 Beschäftigte und mehr als 5000 Liegenschaften des Landes zuständig. Über die Herausforderungen der Klimawende sprach nd-Redakteur Nicolas Šustr mit ihm.

Inklusive Wärmeerzeugung ist der Gebäudesektor für fast 40 Prozent des CO2-Ausstoßes verantwortlich. Solarzellen aufs Dach zu montieren reicht also bei weitem nicht. Wie kommt die BIM mit der energetischen Sanierung voran?
Wir haben einige Fortschritte gemacht und bereits richtige »Energieschleudern« gebändigt. Bei einem Polizeigebäude an der Kruppstraße in Moabit konnten wir den Energieverbrauch um 51 Prozent senken, das entspricht 220 Tonnen weniger CO2-Emissionen pro Jahr. Aber auch bauliche und technische Sanierungsmaßnahmen am Berliner Ensemble mindern den CO2-Ausstoß jährlich um 156 Tonnen. Wir führen zudem viele kleine Maßnahmen durch, wie die Optimierung von Heizungsanlagen oder den Tausch der Beleuchtung gegen LED-Technik. Mit dieser Umrüstung sind wir ungefähr zu einem Viertel durch, bis Ende 2023 sollen drei Viertel der Gebäude mit LEDs beleuchtet sein. Der Rest eignet sich aus verschiedenen Gründen nicht. Das Schöne an dem Modell ist, dass wir die Einsparungen durch die neue Technik in weitere Maßnahmen investieren können, beim Fortgang sind wir also nicht von Mitteln des Haushaltsgesetzgebers abhängig.

Der nicht nur energetische Sanierungsstau an den BIM-Liegenschaften wird auf eine Summe um die 3,5 Milliarden Euro beziffert. Wie wollen sie den abbauen?
Wir haben einen mittelfristigen Sanierungsfahrplan aufgestellt. Einfach eine immer dickere Dämmung zu verbauen, ist in meinen Augen keine Lösung, allein schon weil rund 40 Prozent unserer Gebäude unter Denkmalschutz stehen. Man kann stattdessen viel über Gebäudetechnik erreichen, also zum Beispiel mit Wärmerückgewinnung. Das wird sehr schön am Euref-Campus in Schöneberg sichtbar, dort setzt man auch nicht auf immer mehr Dämmung, sondern auf Technik. Außerdem müssen wir zukünftig in Quartieren denken, aber das können wir nicht alleine machen. Das muss in einer Zusammenarbeit zwischen unserer Tochter, der Berliner Energiemanagement GmbH, den Stadtwerken und Berlin Energie als Leitungsnetzbetreiber geschehen.

Könnte die B.E.M., die Berliner Energiemanagement, den Bezirken unter die Arme greifen? Schließlich gibt es bei deren Gebäuden, unter anderem den Schulen, in punkto Klimaschutz auch noch viel zu tun.
Das ist durchaus eine Möglichkeit, die wir mitbedacht hatten. Im Moment konzentrieren wir uns auf unsere eigenen Potenziale, bevor wir viel Energie verbrauchen, um bei den Bezirken Aufträge zu akquirieren.

Geschätzt müssten 70 bis 100 Millionen Euro pro Jahr in die energetische Sanierung der BIM-Liegenschaften fließen. Wieviel Geld steht Ihnen tatsächlich zur Verfügung?
Gegenwärtig sind es nicht viel mehr als 20 Millionen Euro pro Jahr. Auch deshalb freuen wir uns über Partner wie die Berliner Stadtwerke, die einen Teil der benötigten Summen finanzieren können.

Es scheint aber trotzdem eine große Finanzierungslücke zu geben. Kann die BIM unter diesen Voraussetzungen überhaupt die Klimaziele des Senats für den Gebäudebestand erreichen?
Laut gegenwärtigem Finanzierungsstand können wir die Klimaziele nicht erreichen. Vor einigen Jahren fehlte uns auch das Personal dafür, aber da sind wir inzwischen auf Wachstum eingestellt und das sollte kein Hindernis mehr sein. Wir haben den energiepolitischen Sprechern der Koalitionsfraktionen mitgegeben, dass man nicht die Anforderungen immer weiter verschärfen kann, wenn uns nicht aus dem Haushalt das Geld gegeben wird, um die Vorgaben umzusetzen. Damit man mich nicht falsch versteht: Die Verschärfung der Bestimmungen hat sicher ihre Richtigkeit. Doch müssten die finanziellen Auswirkungen für das Land und wie diese gestemmt werden sollen, in den Beschlüssen auch konkreter enthalten sein. Bei Anmietungen oder Bauvorhaben ist so etwas zwingend vorgeschrieben. Aber bei Klimabeschlüssen ist das nicht der Fall. Kurzfristige Förderprogramme helfen uns nur begrenzt weiter, wir brauchen Kontinuität bei den Maßnahmen.

Besteht nicht die Gefahr, dass es so endet wie bei der Umweltzone, als der Senat dann von seiner eigenen Regelung 2015 Ausnahmen für die überalterten eigenen Fahrzeuge von Polizei oder Feuerwehr gemacht hatte?
So darf das nicht laufen, sonst erhält man keine Akzeptanz für die Maßnahmen. Die öffentliche Hand muss Vorbild sein. Wir werden die benötigten Haushaltsmittel auch immer wieder anmelden.

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