Mauerbau auf Hispaniola

Dominikanische Republik plant, sich von Haiti mit einem Grenzwall auf der gemeinsamen Insel abzuschotten

  • Andreas Knobloch, Havanna
  • Lesedauer: 4 Min.

»Bewegungssensoren, Gesichtserkennungskameras, Radargeräte und Infrarotstrahlsysteme« - die Dominikanische Republik will die Überwachung an der Grenze zum Nachbarland Haiti massiv ausbauen. »Innerhalb von zwei Jahren wollen wir den ernsthaften Problemen der illegalen Einwanderung, des Drogenhandels und des Schmuggels gestohlener Fahrzeuge, unter denen wir seit Jahren leiden, ein Ende setzen«, erklärte Präsident Luis Abinader, als er dieser Tage Pläne zum Bau einer Grenzmauer vorstellte.

Der Baustart soll noch in der zweiten Jahreshälfte 2021 erfolgen. Zur geplanten Länge gab es unterschiedliche Verlautbarungen. Während Abinader von 380 Kilometern Grenzzaun sprach, waren es bei seinem Außenminister Roberto Álvarez »nur« 190 Kilometer. »Die dominikanisch-haitianische Grenze ist 391 Kilometer lang; heute gibt es lediglich 23 Kilometer Zaun«, sagte er in einer Fernsehsendung. »Bis Ende dieses Jahres sollen an leicht zugänglichen Stellen etwa 30 Kilometer gebaut werden.« Man verhandele mit zwei israelischen und einem spanischen Unternehmen. Das Pilotprojekt soll Rafael Advanced Defense Systems übernehmen, ein staatliches israelisches Rüstungsunternehmen, das unter anderem Panzerschutzsysteme für die deutschen Leopard-Panzer herstellt. Auch das mobile Raketenabwehrsystem Iron Dome wurde von Rafael Advanced Defense Systems entwickelt. Es geht hier also um militärische Grenzsicherung.

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In der Dominikanischen Republik mit ihnen gut elf Millionen Einwohnern leben nach offiziellen Schätzungen knapp eine halbe Million haitianische Flüchtlinge. Für jede neue dominikanische Regierung hat das Thema Migration daher Priorität.

Die Beziehung zwischen beiden Ländern, die sich die Insel Hispaniola teilen, ist historisch schwierig. Das hat mit der unterschiedlichen Entwicklung der beiden Inselteile zu tun: Während die Dominikanische Republik zu den beliebtesten Reisezielen in der Karibik gehört, gilt Haiti als ärmstes Land der Hemisphäre. Die Gründe liegen vor allem in der Kolonialgeschichte. Als Gegenleistung für die diplomatische Anerkennung nach der Unabhängigkeit 1804 zwang Frankreich Haiti ab 1825 eine Reparationsleistung von auf heute umgerechnet 40 Milliarden Euro auf - als Preis dafür, wieder am internationalen Handel teilnehmen zu können. Haiti brauchte 120 Jahre, um die Summe zu zahlen. Das hemmte jede Entwicklung.

Abinader, seit August neu im Amt, und sein haitianischer Amtskollege Jovenel Moïse hatten am 14. Januar eine Vereinbarung unterzeichnet, die neben der Zusammenarbeit in verschiedenen Bereichen wie Verwaltung und Gesundheitswesen die Verpflichtung beinhaltet, Maßnahmen gegen »den irregulären Migrationsstrom« zu ergreifen und »die Sicherheit und Grenzüberwachung zu stärken«. Die Verpflichtungen beinhalten zwar nicht ausdrücklich den Bau einer Mauer, ziehen jedoch den Einsatz von Technologien gegen irreguläre Migration, Menschenhandel, Waffenhandel, Drogenhandel und Diebstahl von Vieh in Betracht.

Nichtsdestotrotz sorgt der geplante Bau der Grenzmauer für Diskussionen. Der Präsident der Abgeordnetenkammer, Alfredo Pacheco, verteidigte gegenüber Journalist*innen das Projekt: »Ich denke, dass der doppelte Grenzzaun, den der Präsident angekündigt hat, (…) eine korrekte Maßnahme ist, die ein großer Teil der Bevölkerung erhofft hat.« Tatsächlich gibt es in einem Teil der Bevölkerung Zustimmung.

Experten dagegen äußern Bedenken. Die Idee des Baus einer Grenzmauer befeure »Ressentiments, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus«, so William Charpentier, Koordinator des unabhängigen Nationalen Ausschusses für Migration und Flüchtlinge. Er verurteilt massive Deportationen von Personen ohne Papiere und Hindernisse für legale Migranten, Dokumente zu erneuern oder ein Haus zu mieten. »Es ist eine permanente Verfolgung«, sagt Charpentier. Eine Mauer sei zudem eine Gefahr für den lebhaften kleinen Grenzverkehr und überdies viel zu kostspielig. Stattdessen müssten Entwicklungsprojekte gestärkt werden, von denen Dominikaner*innen und Haitianer*innen im Grenzgebiet gleichermaßen profitieren.

»Solange in Haiti extreme Armut und politische Instabilität bestehen, wird es Migrationsdruck geben«, meint Juan Del Rosario, Professor an der Autonomen Universität von Santo Domingo . Da helfe auch keine Mauer. »Sie können eine 100 Meter hohe Mauer bauen, und die Leute werden trotzdem herausfinden, wie sie durchkommen.« Del Rosario verweist auf die Vereinigten Staaten, wo Ex-Präsident Trump eine gigantische Grenzmauer zu Mexiko versprochen habe. »Trotz viel größerer Ressourcen und besserer Technologie war das unmöglich.«

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