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Milliardengewinne in der Krise
Trotz struktureller Herausforderungen wie der Mobilitätswende haben die Autobauer keine größeren Probleme beim Profitmachen
Tesla hat ein gutes Coronajahr hinter sich. Zum ersten Mal in seiner Firmengeschichte fuhr der amerikanische Hersteller von Elektroautos einen Nettogewinn ein. Und in Grünheide nahe Berlin entsteht gerade das zweite Werk im Ausland, das erste produziert bereits in Shanghai. Die deutsche Fabrik soll noch in diesem Jahr ihren Betrieb aufnehmen. An der Börse gehört die Firma des selbst ernannten »Technoking« Elon Musk zu den Lieblingen der Anleger. Teslas Aktien sind umgerechnet über 500 Milliarden Euro und damit mehr wert als die von Daimler, Renault und Toyota zusammen.
Dabei verlief auch für die Großen das Coronajahr besser als zu befürchten war. Nach einem massiven Umsatz- und Absatzeinbruch im zweiten Quartal liefen die Geschäfte der 17 größten Autokonzerne der Welt erheblich besser: Der Umsatz stieg im dritten Quartal nach Angaben der Beratungsgesellschaft Ernst & Young (EY) um 53 Prozent, der Neuwagenabsatz kletterte um 46 Prozent nach oben. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ergab sich lediglich ein leichtes Minus: Beim Umsatz und beim Absatz rangierten die Top-Autokonzerne jeweils um fünf Prozent unter dem Niveau des dritten Quartals 2019.
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann
Auffallend gut haben sich die US-Autokonzerne entwickelt: Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum wuchs ihr Umsatz um ein Prozent, während die deutschen Autobauer ein Minus von vier Prozent meldeten. Die japanischen Konzerne setzten sogar zwölf Prozent weniger um als im Vorjahr. Beim Gewinn gelang den US-Konzernen sogar ein Plus gegenüber dem Vorjahreszeitraum von 99 Prozent. Obwohl das vierte Quartal aufgrund neuer Lockdowns schlechter lief, meldeten auch Daimler und VW in diesen Tagen für das zurückliegende Jahr hohe Milliardengewinne. Ähnlich gut dürften auch die Zahlen sein, die BMW diesen Mittwoch vermeldet. Einen Teil zum Gewinn beigetragen dürfte das staatliche Kurzarbeitergeld. Nun hält die IG Metall angesichts der »wirklich positiven Entwicklung« der Autoindustrie Tariferhöhungen 2021 für angebracht.
Der chinesische Markt erweist sich einmal mehr als wichtigster Stützpfeiler der Autobranche - und gerade auch der deutschen Hersteller. BMW, Daimler und Volkswagen konnten in China massiv zulegen. Der Anteil Chinas am weltweiten Absatz der deutschen Autobauer kletterte von rund 35 auf 40 Prozent. Dieser Megatrend dürfte mittelfristig zum weiteren Aufbau von Produktionsstätten in Asien führen.
Auf dem deutschen Markt profitierten fast alle Hersteller von der Mehrwertsteuersenkung und einem Elektro-Boom. Der Kauf eines Elektroautos wird mit bis zu 9000 Euro von der Bundesregierung bezuschusst. Der Boom hat aber noch einen zweiten Grund: »Die Autokonzerne waren bestrebt«, analysiert EY, »noch im Dezember eine möglichst große Zahl von Elektroautos und Plug-in-Hybriden zugelassen zu bekommen, um die Emissionsvorgaben für das Jahr 2020 einzuhalten und Strafzahlungen zu vermeiden.«
Grüner machte dies die Autobauer aber nur bedingt. So verfehlte Volkswagen seine Flottenziele zur Senkung des CO2-Ausstoßes deutlicher als bisher angenommen. So lagen die Ausstoßwerte der in der EU verkauften Neuwagen im Schnitt um rund 0,8 Gramm je Kilometer über dem zulässigen Durchschnitt. Im Januar hatte VW eine Abweichung von rund 0,5 Gramm vom Zielwert gemeldet. Das Unternehmen nannte am Dienstag aktualisierte Berechnungen als Grund. Das offizielle Ergebnis teilt die EU in den kommenden Monaten mit. Umweltschützer kritisieren allerdings, dass die Autobauer ihre Abgaswerte schönrechnen können.
Im neuen Jahr sorgten unterdessen vorgezogene Käufe, Lieferengpässe bei Computerchips und geschlossene Autohäuser dafür, dass im Januar und Februar die Neuzulassungen deutlich zurückgingen. Wie es nun wirtschaftlich weitergeht, hängt zwar kurzfristig von dem Verlauf der Pandemie ab. Aber Branchenvertreter wie Audi-Chef Markus Duesmann sehen den »Trend zur individuellen Mobilität« durch Corona sogar »noch stärker geworden«.
Nach Corona steht die Branche mit ihren etwa 800 000 Beschäftigten in Deutschland dennoch vor einer ungewissen Zukunft. »Unser Ziel muss das Auslaufen des fossilen Verbrenners bis 2035 sein«, sagte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) gerade der »Welt am Sonntag«. In mehreren Industrieländern ist dies bereits Staatsziel. Die Folge ist ein grundlegender Strukturwandel in der Branche. Beim Verband der deutschen Automobilindustrie VDA gibt man sich gerade deshalb optimistisch: »Wir haben das Auto erfunden. Jetzt erfinden wir es neu.«
Erfinden sollen das neue Auto - es fährt mit Strom, ist ein Computer auf Rädern und schwerer als seine Vorgänger - vor allem die vier großen Zulieferer Bosch, Conti, Mahle und ZF Friedrichshafen und deren Abertausende Zulieferer. Auf diese Zulieferindustrie entfallen nach Expertenschätzungen um die 70 Prozent der gesamten Wertschöpfung. Bei der Digitalisierung dürfte der Anteil noch höher ausfallen.
Tesla sieht sich beim digitalisierten E-Auto (noch) ganz vorne. Seinen ersten Gewinn verdankt der US-Konzern allerdings nicht dem eigentlichen Autogeschäft, sondern dem Verkauf von Emissionszertifikaten an die »schmutzige« Konkurrenz. 500 000 Autos lieferte Tesla immerhin 2020 aus. Doch Toyota kam auf 9,5 Millionen, Volkswagen auf 9,3 Millionen Wagen. Und diese globalen Spitzenreiter der Branche drängen nun vehement in die Elektromobilität. Auch neue Tesla-Konkurrenten wie Nio aus China, die frühere britische Sportwagenmarke MG oder gerüchteweise Apple tummeln sich bald auf dem lukrativen Zukunftsmarkt.
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