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Inklusion findet nicht statt
Arbeitsmarkt und Digitalisierung schließen Menschen mit Behinderung aus
Viele schlechte Nachrichten, wenige gute: Die gerade am Montag gestarteten Impfungen der Berliner*innen mit geistiger und psychischer Behinderung in der Eingliederungshilfe wurden am Dienstag schon wieder ausgesetzt.
Der »herbe Rückschlag«, wie der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) den Impfstopp für das Astra-Zeneca-Vakzin aufgrund mutmaßlicher Thrombose-Risiken bezeichnete, ist für Menschen mit Behinderung allerdings nur ein Baustein von vielen in der Erfahrung der Pandemie als Vertiefung von Diskriminierung und Benachteiligung. Für viele ist nicht nur das Risiko einer schweren Erkrankung mit Covid-19 besonders hoch, auch die Einschränkungen, die mit der Eindämmung des Coronavirus verbunden sind, treffen sehr viele besonders hart. Dazu kommen Verfehlungen bei pandemiebedingten transformativen Veränderungen, zum Beispiel bei der Digitalisierung, um die es im Hinblick auf Barrierefreiheit, der wichtigsten Bedingung für Inklusion, sehr schlecht bestellt ist.
»Versuchen Sie mal, als Mensch mit schwerer Sehbehinderung an einem Zoom-Meeting teilzunehmen«, erklärte beispielhaft der Bundesbehindertenbeauftragte Jürgen Dusel am Dienstagnachmittag bei einer Pressekonferenz anlässlich des Treffens der Beauftragten des Bundes und der Länder für die Belange von Menschen mit Behinderung. Immerhin sehe man jetzt manchmal mehr Gebärdendolmetscher*innen auf vielen Veranstaltungen, auch bei dieser Konferenz sind sie natürlich im Einsatz.
Eingeladen hatte die Berliner Landesbeauftragte Christine Braunert-Rümenapf. »Für Menschen mit Behinderung ist das Risiko, aus dem Arbeitsmarkt zu fallen, viel größer«, wies sie darauf hin, wie sich die coronabedingten Verwerfungen auf die Situation für behinderte Menschen auswirken. Besonders der Wegfall von Ausbildungsplätzen verschlechtere massiv die Chancen einer Berufsqualifikation für Jugendliche mit Beeinträchtigungen. Die bestehenden Möglichkeiten seien ohnehin schon geprägt und beschränkt von Klischees und Stereotypen. Das geringe Spektrum und nicht aufeinander abgestimmte Förderlogiken verstärken Vorstellungen, wie sie ihr Kollege aus Rheinland-Pfalz, Matthias Rösch, beschreibt: »Als Blinder mit Abitur wirst du Jurist, als Blinder ohne Abitur Bürokaufmann, als Mensch mit Lernbeeinträchtigung verschwindest du am besten in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung.« Teilhabe heiße auch Rechtsanspruch auf berufliche Ausbildung, so Braunert-Rümenapf. Dabei gehe es um fundamentale Rechte, nicht um »Nettigkeit, etwas Humanes oder Caritatives«, legte Jürgen Dusel nach.
Aus diesen Gründen verabschiedeten Braunert-Rümenapf und ihre Kolleg*innen auf ihrer 61. gemeinsamen Konferenz eine »Berliner Erklärung«. Gefordert wird darin der Auf- und Ausbau eines Berufsbildungssystems, das in seinen Rahmenbedingungen die Belange von Menschen mit Behinderung umfassend berücksichtigt. »Ziel der beruflichen Bildung muss die barrierefreie und gleichberechtigte Gestaltungsmöglichkeit einer individuellen Bildungs- und Berufsbiografie sein«, betonte die Berliner Beauftragte.
»Überlegen Sie mal, ob Sie an Ihrer physischen Umgebung teilhaben könnten, wenn Sie ab morgen auf einen Rollstuhl angewiesen wären und als Eltern einer Berufsschule einen Besuch abstatten müssten«, fordert Jürgen Dusel von den Anwesenden - und deutlich mehr Engagement der freien Wirtschaft für Menschen mit Behinderung.
Ein Viertel aller Unternehmen in Deutschland beschäftige keine Mitarbeiter mit Beeinträchtigung. Dies sei »inakzeptabel«, sagte Dusel. Er sprach sich für eine Verdopplung der Ausgleichsabgabe aus. Private und öffentliche Arbeitgeber mit mindestens 20 Arbeitsplätzen sind verpflichtet, mindestens fünf Prozent der Stellen mit schwerbehinderten Menschen zu besetzen. Bei Unterschreitung der Quote muss eine Ausgleichsabgabe gezahlt werden. In Berlin erfüllen nur ein Drittel aller Betriebe dieser Art die Pflichtquote.
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