- Politik
- Erzbistum Köln
Gutachten zu Missbrauch belastet mehrere Bischöfe schwer
Zwei Kölner Geistliche von Ämtern entbunden / Gutachter sieht aber keine Pflichtverletzungen bei Kardinal Woelki
Köln. Das Rechtsgutachten zu Missbrauchsfällen im Erzbistum Köln belastet mehrere Bischöfe schwer. Der Kölner Strafrechtler Björn Gercke nannte am Donnerstag bei der Vorstellung seiner Ergebnisse die Namen der Verantwortlichen in der Bistumsleitung, denen Pflichtverletzungen nachgewiesen werden konnten. Darunter der verstorbene ehemalige Erzbischof von Köln, Kardinal Joachim Meiser, Weihbischof Dominikus Schwaderlapp und der ehemalige Generalvikar und Leiter der Hauptabteilung Seelsorge/Personal und heutige Hamburger Erzbischof Stefan Heße. Die Gutachter konnten keine Pflichtverletzungen von Erzbischof Kardinal Rainer Maria Woelki feststellen.
Der Erzbischof entband Weihbischof Schwaderlapp am Donnerstag vorläufig von seinen Aufgaben, wie er im Anschluss an die Vorstellung des Gutachtens vor Journalisten mitteilte. Auch der Domkapitular und Offizial Günter Assenmacher, den das Gutachten belastet und unter anderem mit Fällen nicht erteilter Rechtsauskunft in Verbindung bringt, wurde vorläufig beurlaubt. Gercke und seine Kanzlei hatten 236 Aktenvorgänge untersucht, in 24 davon wurden eindeutige Pflichtverletzungen festgestellt. Insgesamt zählten die Gutachter 75 Pflichtverletzungen, die von acht Personen begangen wurden. Untersuchungszeitraum waren die Jahre 1975 bis 2018.
Woelkis Amtsvorgänger Meiser soll nach den Erkenntnissen Gerckes 24 Mal seine Pflichten verletzt haben, bezogen auf 14 Aktenvorgänge. Darunter fallen nach Angaben von Gercke und der Juristin Kerstin Stirner sechs Verstöße gegen die Aufklärungspflicht, ein Verstoß gegen die Verhinderungspflicht und fünf Verstöße im Bereich der Opferfürsorge.
Der jetzige Hamburger Erzbischof Stefan Heße, der von 2006 bis 2014 Hauptabteilungsleiter Personalseelsorge und später Generalvikar in Köln war, wird in dem Gutachten im Zusammenhang mit elf Pflichtverletzungen aufgelistet. Darunter fallen sieben nicht ordnungsgemäß bearbeitete Fälle.
In der Öffentlichkeit geäußerte Vorwürfe der systematischen Vertuschung seien nicht erkennbar gewesen, sagte Gercke. Aber es habe eine systembedingte Vertuschung von Missbrauchsfällen im Erzbistum gegeben. Insgesamt geben die Juristen der Kanzlei Gercke und Wollschläger, die sich auf Akten und Befragungen stützen, der Bistumsleitung die Note mangelhaft. Rechtslage, Rechtskenntnis, Aktenführung und Zuständigkeiten seien von Widersprüchlichkeiten, unklaren und teils geheim gehaltenen Regelungen geprägt gewesen.
Der Strafrechtler Gercke sprach von chaotischen Zuständen in der Aktenführung. Er mahnte dringend für die Zukunft eine Professionalisierung der Aktenführung an. Außerdem forderte er eine konsequente Berichterstattungspflicht an den Erzbischof, um den Ordinarius in die Verantwortung zu bringen.
Rücktritte wären das Minimum
Matthias Katsch: Die Kirchen haben bei der Aufarbeitung sexueller Gewalt gegen Kinder versagt
Woelki hatte monatelang massiv in der Kritik gestanden, weil er ein erstes Gutachten der Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl nicht veröffentlicht hatte. Der Erzbischof erklärte am Donnerstag, er habe diesen Tag herbeigesehnt und zugleich gefürchtet, »wie nichts anderes«. Gercke sagte: »Uns wäre es ein leichtes gewesen, Kardinal Woelki zum Schafott zu führen, aber die Aktenlage und auch die Befragung haben das nun mal nicht hergegeben.«
Peter Bringmann-Henselder vom Betroffenenbeirat sagte, er sei überrascht über die ersten personellen Konsequenzen aus dem Gutachten. Die Betroffenen hätten zu lange auf ein Gutachten warten müssen. »Aber ich bin heute froh, dass zumindest dieses Versprechen gehalten worden ist.« epd/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.