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Freiwillig zur Bundeswehr – fast wie bei der Feuerwehr

Vor zehn Jahren setzte der Bundestag die Wehrpflicht aus – nun lockt man Freiwillige durch die Hintertür

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.

Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie mögen sich von Sorgen gehetzte Krankenhaus-Personalchefs oder Leiterinnen von Altenpflegeheimen voller Sehnsucht an Zeiten erinnern, in denen sie über ein Heer von Zivildienstleistern zu gebieten hatten. Doch diese oft hoch engagierten »Zivis« gibt es nun seit zehn Jahren nicht mehr. Schuld daran ist eine Bundestagsabstimmung am 24. März 2011. Die Mehrheit der Parlamentarier stimmte damals der Aussetzung der Wehrpflicht und damit einem vorläufigen Ende des Zivildienstes zu.

Der Vorgang war letztlich Teil einer vor allem von außen erzwungenen Streitkräftereform. Nach Maßgabe des sogenannten 2+4-Vertrages, den die beiden deutschen Staaten und die vier alliierten Siegermächte des Zweiten Weltkrieges geschlossen haben, wurde der Bundeswehr eine Obergrenze von 370 000 Soldaten gesetzt. Nur durch das »Abschmelzen« von 140 000 Militärs wurde die deutsche Einheit überhaupt möglich. Man legte jedoch nicht Hand an den Artikel 12a des Grundgesetzes an. Der besagt noch immer: »Männer können vom vollendeten achtzehnten Lebensjahr an zum Dienst in den Streitkräften, im Bundesgrenzschutz oder in einem Zivilschutzverband verpflichtet werden.« Diesen Grundsatz zu erhalten, fand der damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) »eine richtige und eine kluge Entscheidung mit Blick auf Szenarien, die wir heute sicher noch nicht ganz absehen können«.

Anders als vor zehn Jahren, als das östliche Militärbündnis zerfallen war, man Russland für einen Partner in Sachen europäische Sicherheit hielt und die Bundeswehr Mandat um Mandat in immer neue Auslandseinsätze trieb, sind diese Heimat- und Bündnisschutz-Szenarien heute wieder erkennbar. Wehrpflicht und Zivildienst können also sofort wieder in Kraft gesetzt werden, wenn sich die aktuellen Divergenzen mit Moskau zu einem sogenannten Spannungs- oder Verteidigungsfall auswachsen.

2012 bemühte man sich darum, die Bundeswehr – die mit ihrem Pflichtsystem als Exot innerhalb der Nato galt – von damals rund 250 000 auf 185 000 Männer und Frauen zu verkleinern. Eine von Gutenberg eingesetzte Bundeswehr-Strukturkommission prüfte und kam zu dem Schluss, dass man für Deutschlands neue Geltung in der Welt professionelle Kämpfer und keine lustlosen Wehrpflichtigen brauchte, um die sich auch noch bis zu 30 000 Ausbilderinnen und Ausbilder kümmern mussten. Am Ende wurden nur noch 13 Prozent eines Jahrgangs in die Bundeswehr einberufen. Fast jeder zweite junge Mann leistete weder Zivil- noch Wehrdienst.

Auch Friedensgruppen, Linke, Gewerkschafter unterstützten die scheinbar grundlegende Demilitarisierung der Gesellschaft. Die damalige PDS hatte bereits im Jahr 2000 Konzepte für eine 100 000-Mann-Armee entwickelt, der man eine strukturelle Nichtangriffsfähigkeit einimpfen wollte.

Wer erwartet hatte, dass die Debatten um Zwangsdienste langsam verebben, sieht sich getäuscht. Und das nicht nur, weil die zuletzt noch rund 78 000 Zivildienstleistende für zahlreiche gesellschaftliche Bereiche eine immense und vor allem billige Hilfe wären. Ihre Leistung wäre ungleich höher als die der heute knapp 40 000 »Bufdis« oder der gut 50000 FSJler.

Auch wenn die extremistischen Vorkommnisse vor allem im Kommando Spezialkräfte bei einigen wieder überholte Vorstellungen über eine demokratische Kontrolle der Streitkräfte durch eine allgemeine Wehrpflicht aufkommen lassen – ernstzunehmende Befürworter einer Wehrpflicht-Reorganisation treibt vor allem die Möglichkeit, neue Ströme in die ausgetrockneten, aber für das militärische Gesamtsystem wichtigen Reservisteneinheiten zu bringen. Berufs-, Zeit- und Soldaten, die als freiwillig Wehrdienst Leistende eingestiegen sind, reichen nicht aus für die Aufgaben als Aufmarschgebiet der Nato.

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hat sich mit einer »Facette der Bundeswehr« hervorgewagt. Es geht um »Dein Jahr für Deutschland«. Bewerber erhalten im Freiwilligen Wehrdienst zunächst eine siebenmonatige militärische Ausbildung. Anschließend stehen die so Geköderten für einen Zeitraum von sechs Jahren für die Reservistenausbildung zur Verfügung. »Wir suchen«, so ein Werbetext, »engagierte junge Menschen für die Territoriale Reserve, um unsere Heimat gemeinsam mit den vielen Freiwilligen der Feuerwehr, des THW und der anderen Hilfs- und Rettungsdienste zu schützen. Mit deinem Engagement leistest du einen wichtigen Beitrag, ganz nah an der Bevölkerung, für die Mitmenschen in deinem regionalen Wohnumfeld.« Die Regierung appelliert also an fast zivile nachbarschaftliche Solidarität und an bisweilen ja erkennbaren Patriotismus. Zusätzlich lockt ein Einstiegsgehalt von rund 1400 Euro netto. Im April soll es losgehen.

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