Blick hinter die Kulissen einer Finanzoase

Für reiche Franzosen ist Luxemburg, wenn es ums Steuersparen geht, weiterhin eine der ersten Adressen

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 4 Min.

Luxemburg ist nach wie vor eine der größten Steueroasen in der EU und weltweit. Zu diesem Ergebnis kommt eine Recherche der französischen Zeitung »Le Monde«, die zusammen mit 16 weiteren Zeitungen, Rundfunk- und Fernsehsendern aus aller Welt umfangreiche Daten unter dem Titel »OpenLux« ausgewertet hat und die Ergebnisse in einer zehnseitigen Sonderbeilage vorstellte.

Beim Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner ist Luxemburg das reichste EU-Land und liegt weltweit hinter Katar und Macao auf dem dritten Platz. Dazu trägt bei, dass das Großherzogtum seine EU-Partner laut Schätzungen pro Jahr um zehn Milliarden Euro Steuereinnahmen bringt. Dabei ist man nicht mehr so stark wie früher das Eldorado multinationaler Konzerne, die hier Geheimverträge mit extrem vorteilhaften Konditionen aushandeln konnten, um die Besteuerung auf manchmal weniger als ein Prozent des Umsatzes zu drücken. Seit den aufsehenerregenden Enthüllungen der Medienaktion »Lux-Leaks« von 2014 wurde die Zahl dieser »Tax Rulings« genannten Sonderdeals deutlich reduziert. Gab es 2015 noch 599 davon, waren es im vergangenen Jahr 44.

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Dies hat mit einer Imagekampagne der Regierung zu tun. Sie weist die Einordnung Luxemburgs als Steuerparadies zurück, präsentiert das Land lieber als »internationales Finanzzentrum«, das alle EU-Regeln und auch die Vorgaben der OECD über die Transparenz der Finanztransaktionen peinlich genau einhält. So gebe es ein Register über die tatsächlichen Eigentümer der im Lande registrierten Unternehmen, Fonds und Stiftungen, das genauso wie die Einträge im Handelsregister auf Antrag einsehbar sei.

Die »Open-Lux«-Enthüllungen, in deren Rahmen 3,3 Millionen Dokumente aus Unternehmensregister-Plattformen ausgewertet wurden, kommen zu einer anderen Schlussfolgerung: Die Steuerpolitik und -praxis des Landes habe sich nur den neuen Bedingungen angepasst, ohne jedoch alle Nischen und Schlupflöcher für Steuerflüchtlinge zu schließen. So unterliegt die Registrierung von Finanzunternehmen, Fonds und Stiftungen für Privatpersonen weniger strengen Transparenzregeln. Seit einiger Zeit hat die Zahl solcher Personenunternehmen im Unterschied zu Firmen rasant zugenommen. Die Journalisten stellten zudem fest, dass es auch mit der Exaktheit der zugänglichen Fakten und Zahlen nicht weit her ist. So konnte nur bei etwa jedem zweiten Unternehmen wenigstens ein Eigner identifiziert werden, während sich bei 30 Prozent keiner eindeutig identifizieren ließ und zu 19 Prozent überhaupt keine Angaben gemacht wurden. Die luxemburgischen Behörden kommen mit Kontrollen offensichtlich nicht hinterher, was nicht verwunderlich ist: Nur 59 Personen betreuen das Handelsregister, und die staatliche Finanzkontrollkommission, die außer den Finanzunternehmen auch die zahlreichen Banken im Land zu überwachen hat, bringt es auf gerade einmal 600 Mitarbeiter.

Das ist völlig unzureichend bei insgesamt 140 000 im Lande registrierten Unternehmen, Fonds und Stiftungen, die zu 90 Prozent Ausländern gehören. Bei fast der Hälfte handelt es sich um Finanzholdings, die insgesamt 6,5 Billionen Euro verwalten, die in verschiedensten Ländern und Unternehmen angelegt sind. 80 Prozent dieser Holdings haben in Luxemburg weder Büros noch Angestellte. So sind unter den Adressen von 40 legalen Briefkastenfirmen 25 000 Unternehmen registriert. Allein 1800 haben die Adresse Rue Eugene Ruppert 6, einem unscheinbaren vierstöckigen Bürogebäude am Rande der Hauptstadt Luxemburg. Für den Kontakt zwischen den Kunden im Ausland sowie den Banken und Behörden in Luxemburg sorgen einheimische Finanzexperten, die man in Fachkreisen ironisch nach dem vielarmigen indischen Gott »Shiva-Verwalter« nennt. Allein ein gewisser Jens Hallermann vertritt laut den Recherchen 385 Unternehmen.

Fast jedes fünfte der registrierten Unternehmen, Fonds und Stiftungen haben französische Eigentümer, die damit noch vor den Reichen aus Belgien und Deutschland liegen. Zu den bekanntesten französischen Firmennamen, auf die die Journalisten von »Le Monde« bei ihren Recherchen stießen, gehören der Luxusartikelkonzern LVMH, das in Familienbesitz befindliche Modeunternehmen Hermès, die Kosmetikgruppe Yves Rocher, die Werbeagentur JC Decaux und die Sportartikelkette Décathlon.

Im Rahmen der komplizierten Recherchen konnten zudem die Namen von 15 000 Einzelpersonen aus Frankreich identifiziert werden. Dazu gehören Unternehmer, Ärzte, Kunstsammler, Schriftsteller, Fußballer und beispielsweise auch Xavier Niel, Mitinhaber von »Le Monde«. Zusammen bringen es diese auf ein Finanzeigentum von rund 100 Milliarden Euro. Allein 15 Milliarden sind angesammelte Einkünfte aus Bankzinsen und Firmenbeteiligungen. Würden diese in Frankreich versteuert werden, fielen fünf Milliarden Euro für den Fiskus ab.

Laut der Recherche haben 37 der 50 reichsten Familien Frankreichs den Großteil ihres Finanzeigentums in Unternehmen, Fonds oder Stiftungen »geparkt«. Es besteht vor allem aus Firmenanteilen und Immobilien. Dazu gehört der reichste Franzose: LVMH-Miteigentümer Bernard Arnault. Im Vergleich zu ihm nehmen sich andere Firmen fast bescheiden aus, auch wenn sie mehrere Millionen Euro repräsentieren. Dazu gehören die Verwalter von Luxusvillen an der Côte d’Azur, von Schlössern und Jagdrevieren oder von Luxuswohnungen in Paris. In der Liste findet sich auch ein Weingut in Südfrankreich - dieses gehört nach wie vor den Schauspielern Angelina Jolie und Brad Pitt gemeinsam, auch wenn sie längst nicht mehr verheiratet sind.

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