- Politik
- Indien
Stimmungstest für Modi
Indiens Hindu-Nationalisten wollen in Oppositionsbastionen punkten
73,3 Millionen Wahlberechtigte in Westbengalen, 62,8 Millionen in Tamil Nadu, 27,4 Millionen in Kerala und 23,2 Millionen in Assam: Es sind die mit Abstand größten Wahlen in Pandemiezeiten, die am Sonnabend in Indien beginnen. Und wie im Land der Superlative üblich, findet der Urnengang je nach Region in drei bis acht Phasen statt. Besonders viele sind es in Westbengalen, wo am 29. April in der letzten Gruppe von Wahlkreisen die Abstimmung ansteht. Ausgezählt werden die Stimmen dann überall am 2. Mai.
Mehr denn je ist ein Großaufgebot an Sicherheitskräften und Wahlhelfern im Einsatz. Es geht nicht nur um den ordnungsgemäßen Ablauf und die Verhinderung von Gewalt, sondern auch um die Einhaltung des Infektionsschutzes. Indien liegt knapp hinter Brasilien und den führenden USA auf Rang drei der globalen Corona-Liste. Bald 12 Millionen Infizierte gibt es insgesamt, zuletzt kamen pro Tag über 40 000 neue Fälle dazu.
Teller und Rand ist der neue ndPodcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Von einer regen Wahlbeteiligung ist dennoch auszugehen. Es geht um viel: Premier Narendra Modi, inzwischen knapp sieben Jahre im Amt, und seine Bharatiya Janata Party (BJP) wollen zeigen, dass sie das Land auch in Pandemiezeiten politisch fest in der Hand haben. Die Hindu-Nationalisten hatten zuletzt neben der nationalen Ebene auch in den meisten Regionen klar dominiert. Eine Herausforderung für sie: Die Bundesstaaten, in denen jetzt gewählt wird, gehörten bisher noch zu den Hochburgen der (vielschichtigen) Oppositionskräfte.
Besonders spannend könnte es in Westbengalen werden. Dort gab einst über 30 Jahre die Linksfront den Ton an, die aber schon länger an Zuspruch verloren hat. Jetzt ist der Teilstaat die Bastion der bürgerlichen Regionalpartei Trinamool Congress (TMC). Chefministerin Mamata Banerjee, seit einem tätlichen Angriff im Wahlkampf temporär im Rollstuhl, gehört indienweit zu den schärfsten Kritikern der Hindu-Nationalisten. Die Entscheidung im bevölkerungsstarken Staat ist ein Dreikampf. Die Hindu-Nationalisten, der TMC sowie die Allianz aus Linksfront und der traditionsreichen Kongresspartei wollen jeweils stärkste Kraft werden. Die von der Kommunistischen Partei Indiens-Marxistisch (CPI-M) angeführte Linksfront, zu der noch die kleinere kommunistische Schwester CPI, die Revolutionäre Sozialistische Partei und der Vorwärts-Block gehören, ist zumindest subregional noch immer stark, wenngleich nicht mehr so ausgeprägt wie früher.
Dafür gilt es für die Linke, ihre letzte echte Bastion Kerala zu verteidigen - dort wechseln sie und die Kongresspartei sich mit ihren jeweiligen lokalen Partnern seit Jahrzehnten in der Regierung ab. Der Bundesstaat Tamil Nadu hingegen war bisher immer von zwei starken Regionalparteien dominiert.
Eine Besonderheit sind die Wahlgebiete auch in der Bevölkerungsmischung: Nirgendwo sonst ist der Anteil der muslimischen Minderheit größer als in Assam, Kerala und Westbengalen; in Kerala kommen zu 26,7 Prozent Muslimen noch 16,6 Prozent Christen. In Westbengalen stellen zudem Dalits, im Kastensystem auf der untersten Stufe, fast ein Drittel des Wahlvolks.
Westbengalens Gouverneur Jagdeep Dhankhar zeigte sich besorgt wegen etwaiger gewaltsamer Ausschreitungen in der aufgeheizten Atmosphäre. Neben ausgedehnten Sozialprogrammen, die von einigen Parteien noch in vorletzter Minute angekündigt wurden, spielen wie immer auch erhebliche Geldsummen eine Rolle. Die Wahlkommission in den vier Bundesstaaten hat stolze 3,33 Milliarden Rupien (38,6 Millionen Euro) konfisziert, die neben Sachwerten mutmaßlich dem Stimmenkauf dienen sollten. Und unter den 132 bisherigen Abgeordneten allein in Kerala sind gleich 57 Millionäre.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.