Pflegeberufekammer wird abgewickelt

Scheitern der Einrichtung in Schleswig-Holstein ist auch eine Ohrfeige für die SPD

  • Dieter Hanisch, Neumünster
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Pflegekammer als Berufsvertretungsgremium hat eine weitere deftige Niederlage einstecken müssen. Nachdem die Pflegebeschäftigten in Niedersachsen der Interessenvertretung im Vorjahr in einer Befragung der Mitglieder*innen den Rückhalt entzogen haben, passierte dies ebenfalls in Schleswig-Holstein. 91,77 Prozent votierten nun in diesem Bundesland für eine Auflösung der Kammer.

Die unter den Pflegebeschäftigten so ungeliebte Einrichtung mit Sitz in Neumünster soll schnellstmöglich der Vergangenheit angehören. Das Scheitern der für rund 23 500 Pflegebedienstete zuständigen Kammer ist vor allem auch eine Ohrfeige für die SPD, die erst im Jahr 2015 in der Vorgängerregierung mit den Grünen und dem Südschleswigschen Wählerverband das Gremium als ein Lieblingsprojekt auf den Weg brachte und dabei sogar einen Streit mit den Gewerkschaften in Kauf nahm.

Zwangsbeitrag fand keine Gegenliebe

Die Errichtung der Pflegekammer fußte auf einer repräsentativen Umfrage unter 1170 Pflegefachkräften durch TNS Infratest, bei der sich 2013 die hauchdünne Mehrheit von 51 Prozent für die Schaffung dieser Interessenvertretungsform aussprachen. Dieser Zustimmungswert bröckelte seither kontinuierlich, weil das Gremium ab 2016 viel zu lange mit der Eigenorganisation und der auskömmlichen Finanzierung beschäftigt war und vor allem die Zwangsmitgliedschaft und ein Zwangsbeitrag von jährlich 120 Euro statt einem freiwilligem Beitritt keine Gegenliebe fand.

Im Dezember 2019 beschloss der Kieler Landtag eine nachträgliche Anschubfinanzierung für die Kammer in Höhe von drei Millionen Euro, verknüpft mit der Bedingung unter allen Mitglieder*innen eine Abstimmung über Fortbestand oder Abschaffung der Kammer einzuleiten. Dieses Basisvotum wurde der Einrichtung nun zum Verhängnis. Von den 23 579 stimmberechtigten Mitglieder*innen beteiligten sich fast drei Viertel. 91,77 Prozent Gegenstimmen standen 8,23 Prozent Befürworter*innen gegenüber. Nach Bekanntwerden des Ergebnisses verabredete sich eine kleine Gruppe von Pflegekräften vor dem Kieler Landeshaus und trällerte fröhlich »So sehen Sieger aus...«.

Kammerpräsidentin erschüttert

Wie der genaue Abwicklungsprozess aussehen soll, darüber muss nun wieder der Landtag entscheiden. Kammerpräsidentin Patricia Drube, die auch Sprecher-in der Bundespflegekammer ist, zeigte sich erschüttert über das Abstimmungsergebnis und den so massiven Vertrauensentzug. Sie und 29 Verwaltungskräfte müssen sich eine neue Beschäftigung suchen. Nach Drubes Auffassung hat man der Kammer nicht genügend Zeit für eine inhaltliche Arbeit gelassen, um sich zu beweisen, da die Anfangsphase hauptsächlich von Verwaltungsadministration geprägt gewesen sei. In ihrem Frust ätzte sie noch in Richtung der Gewerkschaft Verdi, dass 30 Jahre gewerkschaftliche Interessenvertretung die Bedingungen in der Pflege auch nicht verbessert hätten.

Warnung vor dem falschen Weg

Während die Ärztekammer Schleswig-Holstein die nun anstehende Abwicklung bedauert, zeigte sich die Gewerkschaft Verdi erfreut und forderte die Parteien im Landtag auf, zeitnah kluge Alternativen zu präsentieren, aber ohne eine Pflichtmitgliedschaft. Gegner der Pflegekammer im Land sprachen von einem »erbärmlichen Vollversagen einer politisch gewollten Totgeburt« und mahnten, dass die Abwahl der Kammern in den Bundesländern Niedersachsen und Schleswig-Holstein auch für andere Bundesländer ein Hinweis sei, solch falschen Weg nicht einzuschlagen.

Direkt nach dem Bekanntwerden des Abstimmungsergebnisses begann indes schon das politische Ränkespiel. Die SPD und der Südschleswigsche Wählerverband stellten an die Adresse der Jamaika-Koalition in Kiel klar: Diese habe jetzt zu liefern. Die CDU bedauerte die mit der Kammer einhergegangene millionenschwere Belastung für den Steuerzahler und kündigte noch vor der Sommerpause einen Gesetzentwurf zur Abwicklung der Kammer an.

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