• Berlin
  • Mietenwahnsinn in Berlin

Neubau hält Schritt mit Bedarf

IBB-Wohnungsmarktbericht attestiert abnehmende Marktanspannung

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

»Ich habe die vorsichtig-positive Hoffnung, dass wir für das Jahr 2020 die Zahl von 20 000 fertiggestellten Neubauwohnungen knacken werden«, sagt Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel (Linke) am Montag bei der Vorstellung des Wohnungsmarktberichtes der landeseigenen Investitionsbank Berlin (IBB). Bereits 2019 wurden mit rund 19 000 neu gebauten Wohnungen so viele fertiggestellt wie seit über 20 Jahren nicht mehr. »Im Schnitt brauchen wir pro Jahr 16 500 Wohneinheiten, jede Wohnung darüber hinaus entspannt natürlich den Wohnungsmarkt«, so Scheel weiter. Die Zahlen für 2020 wird das Landesamt für Statistik Berlin-Brandenburg erst im Mai vorlegen.

Arnt von Bodelschwingh vom Institut Regiokontext, das den Bericht im Auftrag der IBB erstellt, geht davon aus, dass in den kommenden Jahren ausreichend Neubau fertiggestellt werden wird, um den rechnerischen Bedarf in Berlin befriedigen zu können. »Ich gehe davon aus, dass die Zahl an Genehmigungen um die 20 000 ausreicht«, erklärt er.

Rote Brause - der Berlin-Podcast

Was war letzte Woche noch mal wichtig in Berlin? Plop und Zisch! Aufgemacht! Der Podcast „Rote Brause“ liefert dir alle wichtigen News aus der Hauptstadtregion in nur 15 Minuten. 

Im vergangenen Jahr wurden laut Statistischem Landesamt für rund 20 500 Wohneinheiten Baugenehmigungen erteilt - ein Rückgang um 9,2 Prozent gegenüber 2019. In Brandenburg betrug der Rückgang 9,6 Prozent, in Hamburg satte 21 Prozent. Mit eine Ursache ist die Corona-Pandemie - auch Beschäftigte der Bauämter mussten in den Gesundheitsämtern aushelfen, außerdem fehlen nach wie vor bei vielen die technischen Voraussetzungen für die Arbeit von zu Hause. Das gilt auch für viele Planer in der Privatwirtschaft.

Doch von Bodelschwingh besorgt das mit Blick auf den sogenannten Bauüberhang nicht sonderlich. Für rund 66 000 noch nicht realisierte Wohnungen lagen Ende 2020 Baugenehmigungen vor. »Das sind Wohnungen, von denen wir uns zu Recht erhoffen können, dass sie bald am Wohnungsmarkt ankommen«, so der Wohnungsmarktforscher. Die Tendenz gehe schon geraume Zeit zu immer längeren Fertigstellungszeiten. 2019 konnte sich Berlin auch mit der Fertigstellung von 4,6 Wohnungen pro 1000 Einwohner an Städte wie Hamburg (4,9) oder München (4,5) annähern. »Seit 2015 ist es Berlin gelungen, die Anzahl der Fertigstellungen kontinuierlich nach oben zu schrauben«, sagt von Bodelschwingh. In dem Zeitraum hat sich die Quote ausgehend von 2,5 fast verdoppelt.

»Nicht jede Wohnung hilft uns. Natürlich müssen wir auch schauen, dass wir bedarfsgerechte Wohnungen bauen«, räumt Senator Scheel ein. Denn nach wie vor entstehen größtenteils hochpreisige Neubauwohnungen. Im Bestand sorgt der im Februar in Kraft getretene Mietendeckel für deutliche Entspannung. Im 4. Quartal 2020 sank der Median der Angebotsmieten mit 9,87 Euro nettokalt pro Quadratmeter erstmals seit drei Jahren wieder unter zehn Euro. Landeseigene verlangten für die 4721 auf Portalen inserierten Bestandswohnungen im Mittel nur 6,27 Euro, bei Inseraten der privaten Wohnungswirtschaft waren es 11,25 Euro.

Allerdings lässt sich durch die Auswertung der Immobilienportale nur bedingt auf die tatsächlichen Mieten schließen. »Eine Stichprobe von 250 Mietinseraten ergab, dass für drei Viertel der Inserate eine Miete angegeben war, die nicht der zulässigen Obergrenze der Mietendeckelmiete entspricht«, heißt es im Bericht. Inseriert werden die höheren sogenannten Schattenmieten, die verlangt werden sollen, falls das Bundesverfassungsgericht das Berliner Gesetz zur Mietenbegrenzung für nichtig erklärt. Frühestens im kommenden Quartal wird ein Urteil erwartet.

»Wir machen in der Verwaltung selbst Stichproben bei Inseraten«, berichtet Sebastian Scheel. »Wenn wir den Eindruck haben, dass die angegebenen Obergrenzen nicht korrekt sind, schreiben wir die entsprechenden Vermieter an und weisen sie darauf hin, welche Grenzen gelten«, so der Senator weiter.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!