- Politik
- Munitionsdiebstahl bei der Polizei
Ermittlungen gegen 17 Polizisten in Sachsen wegen Munitionsklau
Beamte nahmen an illegalem Schießtraining teil - Verbindungen zur rechtsextremen Szene stehen im Raum
Dresden. Die sächsische Polizei wird von einer Affäre erschüttert und löst deshalb eine Sondereinheit komplett auf. Wie die Generalstaatsanwaltschaft Dresden und das Landeskriminalamt (LKA) am Dienstag mitteilten, wird gegen 17 Beamte eines mobilen Einsatzkommandos des LKA wegen Diebstahls beziehungsweise Beihilfe zum Diebstahl und wegen Verstoßes gegen das Waffengesetzes ermittelt. Gegen vier Hauptbeschuldigte im Alter von 32 bis 49 Jahren steht zudem der Vorwurf der Bestechlichkeit im Raum.
Den Hauptbeschuldigten wird vorgeworfen, im November 2018 aus Dienstbeständen mindestens 7000 Schuss Munition für Pistolen, Maschinenpistolen und Sturmgewehre entwendet und diese als Bezahlung bei einem privaten Schießtraining auf einer Schießanlage in Güstrow genutzt zu haben. Bei den restlichen 13 Beamten im Alter von 30 bis 54 Jahren besteht der Verdacht, Beihilfe zum Diebstahl geleistet und gegen das Waffengesetz verstoßen zu haben. Hinter der Munition steht ein Stehlschaden von 5000 Euro.
Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) zeigte sich entsetzt: »Ich bin stinksauer und unfassbar enttäuscht, wie Polizisten - die den Amtseid auf unsere Verfassung geleistet haben und die Recht und Gesetz durchsetzen wollen - jetzt selbst zu Straftätern werden.« Jede Rechtsverletzung eines Polizisten bedeute einen enormen Vertrauensverlust: »Da gibt es nichts, aber auch gar nichts zu rechtfertigen.« Deshalb müsse schnell und umfassend alles aufgeklärt werden. Wöller schloss personelle Konsequenzen im LKA nicht aus.
Nach Angaben von LKA-Chef Petric Kleine sind die Hauptbeschuldigten - der Kommandoführer und drei Schießtrainer - mit sofortiger Wirkung vom Dienst freigestellt. Die anderen Beamten dürften ihre Diensträume nicht mehr betreten und sollen außerhalb des LKA im Bereich der Polizeidirektion Dresden eingesetzt werden. Kleine beantwortete auch die Frage, warum das Fehlen der Munition nicht auffiel. Die Kommandos würden über eine eigene Waffenkammer verfügen und seien selbst für die Munition zuständig. Sie hätte diese als »verschossen« deklariert.
Sondereinheit soll neu aufgebaut werden
Landespolizeipräsident Horst Kretzschmar kündigte an, die betroffene Sondereinheit komplett neu aufzubauen. Die Auswahl von Personal für Spezialeinheiten sei besonders aufwendig. Man sei aber gut beraten, die alte Einheit »im Grunde« aufzulösen. »Es bedarf sicher zwei, drei Jahre, um eine neue Einheit aufzustellen. Und weitere zwei Jahre, um ein bestimmtes Niveau in diese Einheit zu bringen.« Kretzschmar hielt aber einen »radikalen Schnitt« für notwendig. Es gebe weitere drei Spezialeinheiten, die müssten nun die Aufgaben mit übernehmen.
Nach Angaben von Kleine hatten sächsische Polizisten 2017 und 2018 auf der Schießanlage in Güstrow Schießübungen absolviert. Das sei zum damaligen Zeitpunkt usus gewesen. Dort hätten Spezialeinheiten auch aus anderen Bundesländern und dem Ausland Schießübungen abgehalten. Dazu habe es eine Kooperation mit dem Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern gegeben. Eine offizielle Kooperation habe aber auch zwischen den dortigen Spezialeinheiten und dem Schießplatzbetreiber bestanden. Im konkreten Fall vom November 2018 habe der Vorgesetzte des LKA-Kommandos aus Sachsen das Schießen aber untersagt.
Am Dienstag waren im Raum Dresden die Privatwohnungen der vier Hauptbeschuldigten und die Diensträume aller Beschuldigten durchsucht worden. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden will bei ihren Ermittlungen auch der Frage nachgehen, ob es Bezüge zwischen den betroffenen Beamten und der rechtsextremen Szene gibt. Nach den Worten von Kleine ist das ein wichtiger Bestandteil der Ermittlungen. »Aktuell kann ich sagen, dass es keine Anhaltspunkte dafür gibt.« Das Redaktionsnetzwerk Deutschland berichtet hingegen, das die Munition als Bezahlung bei der Firma »Baltic Shooters« bei Güstrow genutzt wurde. Der Betreiber der Firma, Frank T., habe mindestens bis 2017 eine Verbindung zu der Gruppe »Nordkreuz« gehabt, die zu einem bundesweiten Netzwerk aktiver und ehemaliger Polizisten und Soldaten gehört, die sich auf einen »Tag X« vorbereiteten.
In der sächsischen Politik sorgte der Vorfall für Wirbel. Die Koalitionsfraktionen von CDU, Grünen und SPD beantragten eine Sondersitzung des Innenausschusses. »Das Fehlverhalten einzelner Weniger darf aber nicht zu einer Pauschalverurteilung der sächsischen Polizei führen«, betonte CDU-Innenpolitiker Rico Anton. »Bei diesen gravierenden Vorwürfen darf jetzt keine Frage offen bleiben und nichts voreilig ausgeschlossen werden. Hier geht es nicht um individuelle Verfehlungen, sondern mögliche strukturelle Probleme bei den Spezialeinheiten der Polizei«, erklärte Valentin Lippmann (Grüne). Der SPD-Innenpolitiker Albrecht Pallas stellte unter anderem die Frage, welche Verbindungen es in der Polizei zu rechtsextremistische Netzwerke gibt und wie das Innenministerium Sicherheitslücken schließen will. dpa/nd
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