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Aufrüstung braucht kein Mensch
Friedensaktivist Krisian Golla über Ostermärsche in Zeiten der Corona-Pandemie und die Bundestagswahl
Vergangenes Jahr fanden die Ostermärsche vor allem virtuell statt. Was ist diesmal geplant?
Dieses Jahr gibt es wieder Präsenzveranstaltungen, rund 100 sind geplant. Wir haben damit fast genauso viele Anmeldungen wie in 2019, als die Proteste zuletzt richtig auf der Straße stattfanden.
Der Aktivist arbeitet seit 1988 beim Netzwerk Friedenskooperative in Bonn. Hier ist er unter anderem für die bundesweite Pressearbeit der Ostermärsche verantwortlich. Insgesamt sind dieses Jahr von Kundgebungen über Menschenketten bis zu klassischen Demonstrationen mehr als 100 Veranstaltungen geplant. Eine Übersicht findet sich unter www.friedenskooperative.de. Sebastian Bähr sprach mit ihm über die Schwerpunkte der Aktionen.
Wie werden die Aktionen gestaltet, damit die Corona-Hygieneregeln eingehalten werden können?
Die Ostermärsche werden traditionell regional und lokal veranstaltet und auch vor Ort verantwortet. Dementsprechend gibt es sehr unterschiedliche Bedingungen und Vorgehensweisen. Die vernünftige Einhaltung der Coronaregeln ist den Veranstaltern aber natürlich überall wichtig. Das Recht auf freie Meinungsäußerung und Gesundheitsschutz schließen einander nicht aus.
Wie sehen die geplanten Veranstaltungen im Einzelnen aus?
Beispielsweise in Hamburg, München, Delmenhorst und Hannover wird es nur Kundgebungen geben. In Kiel und Wilhelmshaven wollen die Teilnehmer eine Menschenkette mit viel Abstand untereinander bilden. In Landshut und in Hof wiederum haben Ordnungsbehörden Teilnahmebeschränkungen auferlegt. In Traunstein verlegen die Veranstalter den Protest auf einen späteren Zeitpunkt. Am häufigsten werden die Veranstaltungen aber ganz konventionell stattfinden, also mit Auftakt, Demonstrationszug und Abschlusskundgebung. Und eben mit Masken und Abstand.
Auch bei der Querdenken-Bewegung sind Fahnen der Friedensbewegung verbreitet. Wissen Sie von Aufrufen aus diesem Spektrum?
Bei den Aktionen der Querdenken-Bewegung finden sich Fahnen und Symbole aus allen erdenklichen politischen Richtungen und sozialen Bewegungen. Dass dort auch Friedensfahnen zu sehen sind, haben wir mitbekommen. Diese Protestierer sind Trittbrettfahrer, die benutzen alles Mögliche, um irgendwie Aufmerksamkeit zu kommen. Wir haben uns davon klar und deutlich vom Missbrauch unserer Symbole distanziert. Verschwörungsideologien haben bei uns keinen Platz. Wir können Menschen, die bei uns eine Friedensfahne kaufen, aber keinen »Führerschein« abverlangen.
Was sind die inhaltlichen Schwerpunkte der diesjährigen Proteste?
Frieden, Abrüstung und Atomwaffen sind die wichtigsten Stichworte - auch wenn natürlich das komplette Themenspektrum breiter ist und es lokal unterschiedliche Schwerpunkte gibt. Besonders drängend ist aber natürlich die Frage, wofür unser Geld wirklich benötigt wird. Brauchen wir es im Verteidigungshaushalt oder sind die Herausforderungen einer modernen Industriegesellschaft nicht ganz andere?
Vor allem der Widerspruch zwischen hohen Militärausgaben einerseits und einem vor dem Kollaps stehenden Gesundheitssystem andererseits springt dieses Jahr ins Auge. Welche Rolle spielt die Coronakrise in den Debatten der Friedensbewegung?
Dieser Widerspruch war vorher schon wichtig und sichtbar, nur ist er aufgrund der aktuellen Entwicklung besonders krass. Die Krankenhäuser sind angesichts der Krise deutlich unterfinanziert, dazu fehlt es an Personal. Die Menschen merken, dass es so einfach nicht mehr weitergeht. Das ist übrigens auch bei der Klimakrise der Fall, deren Auswirkungen in den vorherigen Jahren bei uns inhaltlich im Vordergrund standen. Ob Gesundheitsschutz oder Klimagerechtigkeit - letztlich ist das Geld überall besser aufgehoben als in der Rüstung.
Welche Bedeutung hat die Pandemie aus Sicht der Friedensbewegung auf lange Sicht?
Die Corona-Pandemie ist ein Brennglas. All die Konflikte, die es auch vorher schon gab, werden durch sie virulenter. Das Abgehängtsein des sogenannten globalen Südens manifestiert sich jetzt beispielsweise auch darin, dass sich der globale Norden zuerst mit Impfstoff selbst versorgt, und dass erst dann der »Rest« an die Reihe kommt. Alle Probleme sind offensichtlich, sie sind nur eben noch mal verschärft.
Besteht die Gefahr, dass sich durch die Pandemie militärische Konflikte ausweiten könnten?
Das ist im Augenblick wirklich schwer einzuschätzen. Konflikte entwickeln sich weiter. Die Befürchtungen sind da.
In diesem Jahr stehen Bundestagswahlen an. Welche Regierung wäre zur Umsetzung friedenspolitischer Ziele geeignet?
Die Friedensbewegung ist traditionell überparteilich und überkonfessionell, sie wünscht sich nicht das eine oder das andere, da hat jeder seine eigene Präferenz. Aber sicher wäre es so, dass unter einer grün-rot-roten Bundesregierung für eine wirksame Friedenspolitik mehr möglich wäre als unter Schwarz-Grün. Unsere Forderungen gehen aber an alle Parteien. Und wenn man sich beispielsweise das Wahlprogramm der Grünen anschaut, dann gibt es da noch sehr dicke Bretter zu bohren.
Auch bei der Linkspartei gab es zuletzt Debatten über Militäreinsätze.
Wie ist der richtige Weg in der Friedenspolitik? Das ist eine Diskussion, die die Grünen und die SPD schon lange führen. Bei der SPD ist es in der Realität ja so, dass die Mitglieder des Verteidigungsausschusses des Bundestags meist Reserveoffiziere sind, die also freundlich gegenüber dem Militär eingestellt sind. Dazu gibt es vielleicht noch zwei, drei Pazifisten in ihren Reihen. Bei den Grünen läuft wiederum alles durcheinander. Erst kürzlich hat die Vorsitzende der Heinrich-Böll-Stiftung in einem Artikel für Deutschlands »nukleare Teilhabe« geworben. Die Linkspartei ist da schon noch anders verortet, wenn auch auf sie jetzt solche Debatten verstärkt zukommen werden. Für uns bedeutet dass, dass wir ganz allgemein die Positionen der Friedensbewegung stärken müssen.
Wie kann das gelingen?
Im Wahlkampf werden unsere Interventionen noch einmal interessanter werden. Verschiedene Projekte sind in Planung.
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