- Kommentare
- Tareq Alaows
Bedrohter
Der Geflüchtete Tareq Alaows zieht seine Bundestags-Kandidatur zurück.
Tareq Alaows wäre vielleicht ein Politiker geworden, wie ihn sich viele Menschen wünschen. Einer, der die Ungerechtigkeit dieser Welt selbst erlebte und sich aktiv dagegen einsetzen wollte. Einer, der anderen Geflüchteten eine Stimme geben wollte.
Doch daraus wird vorerst wohl nichts: Am Dienstag gab Alaows bekannt, seine Bundestagskandidatur für die Grünen zurückzuziehen. Die Bedrohungslage für ihn und ihm nahestehende Menschen sei zu groß. In den vergangenen Wochen habe er »massive Rassismuserfahrungen« gemacht; seine Kandidatur habe gezeigt, dass es »in allen Parteien, der Politik und der Gesellschaft starke Strukturen brauche, die strukturellem Rassismus entgegentreten und Betroffenen helfen«, so Alaows.
Der 31-Jährige war vor sechs Jahren als Asylsuchender aus Damaskus nach Deutschland gekommen. In Syrien hatte er Jura studiert und für den Roten Halbmond gearbeitet. Nach schrecklichen Kriegs- und Fluchterfahrungen landete er 2015 zunächst in einer Turnhalle in Bochum - und kämpfte seitdem dafür, die Lebensbedingungen geflüchteter Menschen zu verbessern. Er schloss sich der selbstorganisierten Gruppe »Refugee Strike Bochum« an und veranstaltete Protestcamps. Als Innenminister Seehofer (CSU) 2018 die zivile Seenotrettung blockierte, organisierte Alaows die ersten Seebrücke-Demos mit. Seine Direktkandidatur für den nordrhein-westfälischen Wahlkreis Oberhausen-Wesel III hatte er erst Anfang Februar angekündigt. Die deutsche Staatsbürgerschaft, die er als Mitglied des Bundestages bräuchte, hat er längst beantragt und bekommt sie aller Voraussicht nach bis zur Bundestagswahl im Herbst.
Inzwischen haben sich zahlreiche Politiker*innen mit Alaows solidarisiert. Es bleibt zu hoffen, dass sein Rückzug auch ein Weckruf für alle Parteien ist, endlich diverser zu werden. Vielleicht kann Alaows dann zur Bundestagswahl 2025 tatsächlich antreten.
In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!