- Politik
- Coronakrise
Argentinien zieht Notbremse
Seit Anfang April geht die Zahl der Corona-Infizierten wieder steil nach oben
Argentiniens Präsident Alberto Fernández hat die Notbremse gezogen. In einer Fernsehansprache gab der Präsident am Mittwochabend die Verhängung einer nächtlichen Ausgangssperre über die Hauptstadt und den Großraum von Buenos Aires bekannt. Ab Freitag null Uhr darf in der Zeit von 20 bis 6 Uhr niemand mehr in den Straßen der Área Metropolitana unterwegs sein. Ausgenommen sind lediglich die Beschäftigten in den sogenannten essenziellen Arbeitsbereichen. »Wir werden die Einhaltung mit allen staatlichen Sicherheitskräften überwachen«, kündigte Fernández ein konsequentes Vorgehen gegen Verstöße an.
Der Präsident reagierte damit auf den rasanten Anstieg der Zahl der mit dem Coronavirus infizierten Personen. Ab Freitag müssen Restaurants und Ladengeschäfte bereits um 19 Uhr schließen. Alle religiösen und kulturellen Veranstaltungen in geschlossenen Räumen sind verboten, die Fitness- und Sportstätten bleiben geschlossen. Ab Montag findet dann auch kein Präsenzunterricht an den Schulen mehr statt. »Ich habe die Maßnahmen beschlossen, um die Aufrechterhaltung der Impfkampagne zu garantieren und um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern«, begründete Fernández die bis zum 30. April geltenden Restriktionen.
Teller und Rand ist der neue ndPodcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Noch im März war die Zahl der täglich registrierten Neuinfizierten um die 8000er-Marke gependelt. Seit Anfang April weist die Kurve jedoch immer steiler nach oben. Mit 27 001 positiv getesteten Personen innerhalb von 24 Stunden wurde vergangenen Dienstag eine neue Rekordmarke aufgestellt. Am Mittwoch wurden dann 25 157 Neuinfizierte gemeldet, aber mit 368 Todesfällen die zweithöchste Zahl in diesem Jahr. Als Ursachen für den rasanten Anstieg gelten der uneingeschränkte Reiseverkehr über die Ostertage sowie die Ausbreitung der ansteckenderen brasilianischen und britischen Varianten des Virus. Vor allem der Großraum von Buenos Aires ist davon betroffen aber auch die Hauptstadt wegen der zahlreichen Pendler*innen.
Dagegen kommt die Impfkampagne trotz immer neuer Ankündigungen des Präsidenten nur schleppend voran. Von den 56 Millionen Dosen, die Argentinien gekauft hat, sind bisher nur rund 7,2 Millionen eingetroffen. Im Fall des russischen Vakzins Sputnik V sind von den zugesagten 20 Millionen gerade einmal 4,5 Millionen angekommen. Und von den angekündigten vier Millionen Dosen des chinesischen Sinopharm ist bisher erst die Hälfte angekommen. Entsprechend gering ist der Anteil der Geimpften an der Gesamtbevölkerung von 45 Millionen Argentinier*innen aus. 5,1 Millionen wurden bisher mit einer ersten Dosis geimpft. Davon haben erst knapp 770 000 auch die zweite Dosis erhalten.
Nach der Fernsehansprache des Präsidenten kam es in mehreren Stadtvierteln von Buenos Aires zu spontanen Cacerolazos. Auf Kochtöpfe schlagend lärmten die Anwohner*innen aus Fenstern und auf Balkonen. Auf den Straßen veranstalteten Autofahrer*innen Hupkonzerte. Der Protest richtete sich vor allem gegen die völlig überraschende Schließung der Schulen. Zwar war bereits seit Tagen öffentlich über neue Einschränkungen diskutiert worden, die Aussetzung des Präsenzunterrichts wurde aber stets als letzte Konsequenz gehandelt.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.