BGH wies Mieter-Musterklage in München ab
fragen &antworten zu mieterhöhungen und modernisierungen
Seit 1. Januar 2019 dürfen die Mieten bei einer Modernisierung nicht mehr so stark erhöht werden wie früher. Am 27. Dezember 2018 kündigt eine Münchner Immobilienfirma den Mieter*innen einer großen Wohnanlage umfangreiche Arbeiten für die kommenden Jahre an. Der örtliche Mieterverein glaubte nicht an Zufall - und brachte für die Betroffenen eine Musterklage bis vor den Bundesgerichtshof (Az. VIII ZR 305/19 - siehe nd-Ratgeber vom 24. März 2021). Das Urteil vom 18. März 2021 war für die Mieter eine Enttäuschung. Der Fall hat eine Tragweite.
Was ist eine Modernisierung?
Vereinfacht gesagt gehören dazu alle Arbeiten, die dabei helfen, Energie einzusparen. Außerdem zählen laut Gesetz Maßnahmen als Modernisierung, die den »Gebrauchswert der Mietsache« erhöhen oder die »allgemeinen Wohnverhältnisse« auf Dauer verbessern. Nicht dazu gehört die Instandhaltung - also alles, was getan werden muss, damit Haus oder Wohnung bewohnbar bleiben. In dem Münchner Fall wollen die Eigentümer unter anderem Balkone anbauen, Fenster und Eingangstüren erneuern und Rollläden und eine Wärmedämmung anbringen.
Welche Rechte haben die Mieter?
Der Vermieter muss die Arbeiten spätestens drei Monate vor Beginn ankündigen. Im Schreiben muss auch schon stehen, um wie viel sich die Miete voraussichtlich erhöhen soll. Die Mieter können bei einer Modernisierung den Mietvertrag außer der Reihe kündigen. Und sie müssen die Modernisierung nicht dulden, wenn für sie eine besondere Härte entstehen würde. Das ist immer im Einzelfall abzuwägen. Tatsächlich erhöht werden darf die Miete erst, wenn die Arbeiten beendet sind.
Was hat sich zum Jahreswechsel 2018/2019 geändert?
Früher durfte der Eigentümer elf Prozent der Modernisierungskosten auf die jährliche Miete aufschlagen. Seit 2019 sind es nur noch acht Prozent. Außerdem hat der Gesetzgeber eine Obergrenze eingezogen: Innerhalb von sechs Jahren darf sich die Monatsmiete je Quadratmeter nicht um mehr als drei Euro erhöhen (bei niedrigen Mieten sind es nur zwei Euro). Das kann einen ordentlichen Unterschied machen, wie der Mieterverein am Beispiel eines älteren Ehepaars aus der Wohnanlage vorrechnet: Die beiden sollen nach altem Recht 729 Euro mehr im Monat bezahlen - nach neuem Recht wären es höchstens rund 230 Euro.
Was genau ist in München passiert?
Die Immobilienfirma kündigte die Modernisierungen zwar kurz vor dem Stichtag an. Beginnen sollten die Arbeiten aber erst ein knappes Jahr später. Das Unternehmen begründet den langen Vorlauf mit der »Komplexität der geplanten Maßnahmen«, die bis 2023 dauern sollen. Der Mieterverein hielt das für vorgeschoben. Der Stadtteil Schwabing sei ein gefragtes Viertel. Und die Mieter in den mehr als 200 Wohnungen wohnten zum Teil schon sehr lange da und zahlten recht humane Mieten. Eine Erhöhung nach altem Recht laufe für viele fast auf eine Verdopplung ihrer Miete hinaus.
Worum ging es vor Gericht?
Der Mieterverein war für 145 Mietparteien mit einer sogenannten Musterfeststellungsklage gegen die Immobilienfirma vorgegangen. Vor dem Oberlandesgericht München mit Erfolg. Entscheidend ist aber das Urteil des Bundesgerichtshofs, und der gab der Eigentümer-GmbH Recht: Die Planungen seien Ende 2018 so weit fortgeschritten gewesen, dass eine ordnungsgemäße Ankündigung möglich gewesen sei. Nur darauf komme es an. Für die Zeitspanne bis zum Beginn der Arbeiten gebe es keine Maximalvorgabe. Außerdem stellen die BGH-Richter klar: Wenn es einen Stichtag gibt, so ist niemandem vorzuwerfen, wenn er es mit der Ankündigung noch bis kurz vorher schafft.
Welche Wirkungen hat das Urteil?
Der Ausgang des Musterverfahrens, das laut Mieterverein das erste überhaupt im deutschen Mietrecht war, ist für alle Beteiligten verbindlich. Der Mieterverein befürchtet Schlimmes: »Viele Menschen werden sich das Leben im Hohenzollernkarree nicht mehr leisten können«, sagt Geschäftsführer Volker Rastätter. Ihnen bleibt jetzt nur noch die Möglichkeit, sich gegen die Modernisierung oder die anschließende Mieterhöhung zu wehren oder sich auf die Härtefall-Regelung zuberufen. dpa/ndDas »nd« bleibt. Dank Ihnen.
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