Eingeschränkte Grundrechte gut begründen

Fragen & Antworten zur nächtlichen Ausgangssperre

  • Lesedauer: 3 Min.

Vorgesehen ist unter anderem beim Überschreiten des 7-Tage-Inzidenzwertes von 100 eine nächtliche Ausgangssperre. Sie soll ab 22:00 Uhr greifen. Entsprechende Meldungen bestätigten Bundestagsabgeordnete von CDU und SPD am Montag in Berlin. Bis 24:00 Uhr solle zudem erlaubt werden, dass Einzelpersonen auch ohne Hund draußen etwa spazieren gehen dürfen. Wie nützlich ist eine nächtliche Ausgangssperren gegen das Coronavirus?

Bringen die Beschränkungen etwas?

Wie groß der Effekt wirklich ist, lässt sich derzeit nicht genau sagen. Die Datenlage zu dieser Maßnahme, die sich nur schwerlich isoliert betrachten lässt, ist dürftig. Die Erfahrung zeigt: Nach der Einführung der Sperren geht in der Regel die Zahl der Neuinfektionen zurück. Doch das könnte genauso auf flankierende Aktionen wie schärfere Kontaktbeschränkungen zurückzuführen sein. Grundsätzlich raten Epidemiologen, Kontakte zu meiden. Dabei sind Ausgangsbeschränkungen nur ein Baustein.

Was sagen wissenschaftliche Studien zu dieser Maßnahme?

Dass es einen gewissen Effekt auf die Corona-Zahlen gibt, ist kaum zu bestreiten. Umstritten bleibt allerdings, wie hoch dieser ist, und ob daher die massiven Grundrechtseinschnitte verhältnismäßig sind.

Forscher an der Universität Oxford fanden jüngst heraus, dass nächtliche Ausgangsbeschränkungen zwar die Verbreitung des Covid-19-Erregers um rund 13 Prozent reduzieren können. Aber einen doppelt so hohen Effekt von 26 Prozent haben etwa strenge Kontaktbeschränkungen. Mobilitätsforscher der Technischen Universität Berlin kommen in ihrer Studie zu der Erkenntnis, dass eine Ausgangssperre am Abend und in der Nacht besonders Kontakte im Privatbereich reduziere und die Infektionen im Freizeitbereich reduziert werden. Allerdings sagen die Berliner Forscher auch, dass die Bevölkerung mittelfristig auf andere Zeiten für Treffen und Besuche ausweicht. Daher werde diese Maßnahme »relativ schnell stumpf «.

Wie ist die rechtliche Situation in Deutschland?

Stephan Rixen, Staatsrechtler von der Universität Bayreuth, hält die Ausgangssperre für begründbar. Er betont aber gleichzeitig: »Grundsätzlich gilt: Je stärker die Grundrechte beeinträchtigt werden, desto besser muss der Staat das begründen.« Etliche Verwaltungsgerichte haben im Einzelfall durchaus unterschiedlich geurteilt - auch mit Blick auf die jeweilige Situation vor Ort.

So kippte der Verwaltungsgerichtshof von Baden-Württemberg im Februar eine Corona-Verordnung, die Ausgangsbeschränkungen von 20.00 Uhr bis 5.00 Uhr vorsah. Das Gericht argumentierte, die Landesregelung habe zuletzt die gesetzlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt. Ausgangsbeschränkungen seien nur möglich, wenn ihr Unterlassen zu Nachteilen in der Pandemiebekämpfung führe.

Das Oberverwaltungsgericht in Bautzen setzte Anfang März zwei in Sachsens Corona-Schutzverordnung enthaltene Ausgangsbeschränkungen vorläufig außer Vollzug. Dabei war es um die Ausgangssperre zwischen 22.00 und 6.00 Uhr gegangen.

Das aktuellste Urteil fällte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg, das die Ausgangssperre in Regionen von Hannover zwischen 22.00 und 5.00 Uhr in zweiter Instanz per Eilverfahren als »unverhältnismäßig« und »nicht angemessen« einstufte. Die zuständigen Behörden müssten zunächst alle anderen Möglichkeiten ausschöpfen, um das gewünschte Ziel »durch staatliche Kontrolle und staatliches Eingreifen« zu erreichen, so das Gericht. Die »freiheitsbeschränkende Wirkung« einer Ausgangssperre sei »ganz erheblich«, heißt es im Beschluss des OVG.

Wie lässt sich eine Ausgangsbeschränkung überhaupt umsetzen?

Im Prinzip ist es ganz einfach, wenn auch aufwendig für die Einsatzkräfte von Ordnungsamt und Polizei. Wer zur falschen Zeit ohne einen triftigen Grund außerhalb des Hauses kontrolliert wird, muss ein Bußgeld zahlen. Was allerdings als triftiger Grund gilt, legt eine dementsprechende Landesverordnung fest. dpa/nd
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