Wege aus der Krankheit

Der Dokumentarfilm »Das Fieber - Der Kampf gegen Malaria« startet am 25. April zum Weltmalariatag online

  • Gunnar Decker
  • Lesedauer: 5 Min.

Ein Sumpf zieht am Gebirge hin, verpestet alles schon Errungene? Die Perspektive ist nicht neu, nicht einmal für Goethe war sie das, als er dies vor über zweihundert Jahren seinen von Erkenntnishunger getriebenen Faust sagen ließ. Sümpfe trockenlegen, das Fieber vertreiben - so der Fortschritt, auch wenn schon Goethe seine beiden Alten, Philemon und Baucis, das nicht überleben lässt.

Der Corona-Tunnelblick lässt uns fast vergessen, dass es zahlreiche Krankheiten gibt, die uns bedrohen - und die Malaria fordert Jahr für Jahr etwa eine Million Menschenleben vor allem in Afrika. Kinder sterben häufig daran. Erwachsene quälen sich mit immer wiederkehrenden, zermürbenden Fieberschüben. Der Malaria-Erreger ist ein einzelliger Parasit, ein Plasmodium, das vor allem in stehenden warmen Gewässern vorkommt und von der Anopheles-Mücke (Moskito) auf den Menschen übertragen wird. Sollte man dem nicht mit moderner Wissenschaft und Technik beikommen?

Das wurde versucht, in den 1960er Jahren versprühte man flächendeckend in allen bekannten Malaria-Gebieten das Schädlingsbekämpfungsmittel DDT, mit durchschlagendem Erfolg. Für kurze Zeit schien es, als sei die Malaria besiegt. Dann zeigten sich die schädlichen Nebenwirkungen von DDT für Natur und Mensch, und die Anopheles-Mücke entwickelte Resistenzen. Die Seuche kam zurück - und blieb bis heute. Und mit der Klimaerwärmung dringt sie bis nach Europa vor, die sich nach Norden ausbreitende Tigermücke kann Malaria übertragen.

Die österreichische Filmemacherin Katharina Weingartner, die bereits die ökonomischen Hintergründe des US-amerikanischen Gefängnissystems offengelegt hat, recherchierte von 2014 bis 2019, vor allem in Uganda und Kenia, warum die Malaria-Bekämpfung immer noch keine spürbaren Fortschritte macht. Gewiss, die Seuche ist alt, in 3500 Jahre alten ägyptischen Mumien wurde das Plasmodium nachgewiesen, aber andere Seuchen wie Pocken, Cholera oder Pest wurden global besiegt. Gegen Fleckfieber kann man geimpft werden. Warum gelingt das bei der Malaria nicht?

Katharina Weingartner blickt auf die sozial-ökonomischen Hintergründe in Afrika. Auf die Armut, die bislang nicht überwunden wurde. Und Malaria erweist sich dabei als erhebliches Entwicklungshindernis. Niemand reist gern in ein Land, wo man sich ein gefährliches Fieber zuziehen kann, und Malaria-Prophylaxe per Medikament ist nebenwirkungsreich. Also bleiben auch Investitionen aus, zumal dann, wenn ein Drittel der einheimischen Erwachsenen den Erreger in sich trägt und immer wieder erkrankt.

Wie überall gibt es auch hier eine Vielzahl von Interessen, die vernünftigen Entscheidungen im Wege stehen. Die Japaner produzieren massenhaft Moskitonetze, die verkauft werden sollen, die internationalen Pharmakonzerne Malaria-Medikamente. Aber eine starke politische Kraft, die das in sinnvolle Bahnen lenken könnte, gibt es meist nicht.

Weingartner spricht in ihrer Dokumentation mit Menschen vor Ort, die tagtäglich gegen die Malaria kämpfen. Und sich dabei alleingelassen fühlen: von ihren Regierungen, von der internationalen Pharmaindustrie und auch der WHO. Seit einiger Zeit werden die Malaria-Helfer nicht mehr bezahlt, sie sollen ehrenamtlich tätig sein. Und das, wo gleichzeitig Pharmafirmen mit der Krankheit riesige Gewinne machen?

Ein Impfstoff ist noch nicht über ein Pilotprojekt hinausgekommen. Medikamente müssen importiert werden, und nur wenige Einheimische können sie sich kaufen. Wir begleiten einen Wissenschaftler, der die Brutstätten der Anopheles-Mücke untersucht und dabei auf - auch eine Folge der Kolonialisierung - schädliche Großflächenwirtschaft mit Monokulturen stößt. Bewässerte Reis- und Zuckerrohrplantagen etwa sind ideale Brutstätten für Krankheitskeime. Früher war hier Regenwald und Kleinwirtschaft, da blieben auch Krankheiten regional.

Doch längst ist Afrika ein Teil der Globalisierung, aber bekommt vor allem deren Schattenseiten zu spüren. Man bleibt Absatzgebiet und verlängerte Werkbank der reichen Industrieländer. Was tun? Katharina Weingartner geht den Ansätzen alternativer Entwicklungen in der Medizin nach. Diese sind nicht unbedingt neu, im Gegenteil, sie knüpfen an ein altes Erfahrungswissen im Umgang mit der Malaria an.

Wir treffen eine Naturheilerin, die Kranken den Tee der Artemisia-annua-Pflanze (dem einjährigen Beifuß) für wenig Geld überlässt und für den Anbau der Pflanze wirbt, die einen Wirkstoff gegen den Krankheitserreger enthält. Dieser Wirkstoff findet sich auch in einem - viel teureren - Malaria-Medikament. Warum ihn also nicht direkt vor Ort aus der Pflanze beziehen? In China, einem Land der Hochtechnologisierung, pflegt man ebenso die traditionelle Medizin, den Wirkstoff der Artemisia-Pflanze kennt man dort seit 2000 Jahren. Dennoch warnt die WHO: Der Wirkstoff sei als Tee nicht dosierbar. Weingartner dagegen vermutet hinter der Warnung eher ökonomische Interessen der Pharmaindustrie.

Die Regisseurin ist sich sicher, die Malaria-Bekämpfung sei der Schlüssel zur Überwindung der Armut in Afrika. Ihre Haltung ist deutlich: Zurück zu jenen Erfahrungen Afrikas, die die Menschen hier jahrhundertelang haben überleben lassen. Doch die Pharmaindustrie als Feindbild, Impfungen als Irrweg? Das erscheint allzu sehr im Entweder-Oder-Modus gedacht.

Da sind wir auch wieder bei Faust, der die Sümpfe - mit Mephistos Hilfe - trockenlegen lässt. Die ultimative Lösung ist das nicht, ohne Nebenwirkungen erst recht nicht. Aber warum soll es künftig nicht gelingen, traditionelles Erfahrungswissen und neue wissenschaftliche Erkenntnisse auf sinnvolle Weise zu verbinden?

»Das Fieber - Der Kampf gegen Malaria«: Österreich, Deutschland, Schweiz 2019. Regie und Buch: Katharina Weingartner. 99 Min. Kostenfreie Online-Premiere am 25. April um 17 Uhr im W-Film-Online-Kino. Anschließend Livetalk unter anderem mit der Regisseurin Katharina Weingartner und Grace Nambatya Kyeyune vom Gesundheitsministerium Uganda. Mehr Infos unter: www.wfilm.de

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