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  • Landtagswahl in Sachsen-Anhalt

Teile der CDU wollten nach rechtsaußen ausbrechen

Sebastian Striegel betont die Verlässlichkeit der Grünen in der Magdeburger Koalition. Seine Partei will nach der Wahl weiterregieren

  • Max Zeising
  • Lesedauer: 5 Min.

Herr Striegel, fünf Jahre Kenia-Koalition mit CDU und SPD gehen nun zu Ende. Es war eine Koalition, die in der Öffentlichkeit häufig als zerstritten wahrgenommen wurde. Wie fällt Ihr Fazit aus?

Wir haben als kleinster Partner in dieser Koalition eine Menge erreicht. Mehr, als man uns am Anfang zugetraut hatte. Die Landesregierung hat ein Klima- und Energiekonzept aufgelegt, den Anteil ökologischer Flächen in der Landwirtschaft haben wir um 78 Prozent steigern können. Das Grüne Band (Geländestreifen entlang der ehemaligen DDR-Grenze zur BRD, Anm. d. Red.) ist Nationales Naturmonument. Sachsen-Anhalts Polizisten tragen eine individuelle Kennzeichnung. Die grüne Erfolgsbilanz kann sich sehen lassen.

Das klingt ja zunächst einmal ganz positiv. Aber es gab auch Rückschläge. Schauen wir auf den Koalitionsstreit um die Erhöhung des Rundfunkbeitrages, der das Aus von Kenia hätte bedeuten können: Der Rundfunkstaatsvertrag wurde zurückgezogen, damit es nicht zu einer gemeinsamen Abstimmung von CDU und AfD im Landtag kommt. Haben sich hier am Ende diejenigen durchgesetzt, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ablehnen?

Diese Koalition hat fünf Jahre damit ringen müssen, dass Teile der CDU versucht haben, nach rechts außen auszubrechen und mit der AfD zusammenzuarbeiten. Wir Grüne haben dagegen verlässlich Kurs gehalten. Beim Rundfunkbeitrag ist die CDU-Fraktion von der Fahne gegangen, der Ministerpräsident hat die Koalition vor dem Scheitern bewahrt und die Sache liegt jetzt vor dem Bundesverfassungsgericht. Der Ministerpräsident hat durch das Verhindern der Abstimmung den Staatsvertrag geopfert. In der Tat: Hier haben diejenigen, die ein inhaltliches Problem mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben, diesen gemeinsam erfolgreich angegriffen.

Im bundesweiten Trend profitieren die Grünen von der Nominierung von Annalena Baerbock als Kanzlerkandidatin, während die CDU unter dem Korruptionsskandal und der viel kritisierten Corona-Politik der Bundesregierung zu leiden hat. Was muss passieren, damit sich dieser Trend auch nach Sachsen-Anhalt auswirkt, wo die Grünen wie im gesamten Osten traditionell größere Probleme haben?

Unsere Mitgliederzahlen wachsen stetig, in Sachsen-Anhalt wie im Bund. Und das Spannende: auch in den ländlichen Regionen gibt beständigen Zulauf. Mit derzeit gut 1.100 Mitgliedern haben wir Potenzial zum Wachsen. Und unsere Wahlergebnisse zeigen: Zur Europawahl haben 90.000 Menschen in Sachsen-Anhalt grün gewählt. Wir bauen unsere Basis in Sachsen-Anhalt aus. Die Bäume wachsen nicht in den Himmel, aber sie wachsen stetig, Stück für Stück.

Ministerpräsident Reiner Haseloff wirbt mit dem Slogan: »Der Richtige in schwierigen Zeiten«. Eine ernsthafte Botschaft, versehen mit einer starken Personalisierung. Müssen auch die Grünen mehr Personalisierung wagen?

Reiner Haseloff hat unlängst erklärt, gute Umfragewerte allein würden die Qualität eines Politikers begründen. Ich halte Charaktereigenschaften und Werte eines Menschen für entscheidend. Wer Politik nach Umfragen, ohne Inhalte und Verlässlichkeit propagiert, wie Haseloff das für einen Kandidaten der CDU definiert hat, entpolitisiert Politik. Es macht diejenigen, die vorn stehen, zu beliebigen Marionetten ihrer Parteien. Für uns Grüne ist Macht kein Wert an sich. Personalisierung braucht Werte und Inhalte. Mit Conny Lüddemann als Spitzenkandidatin machen wir ein auch inhaltlich überzeugendes Angebot.

Dann kommen wir mal auf die Inhalte zu sprechen. Im Zentrum des Wahlprogramms, das sie auf einem Parteitag am Wochenende beschließen wollen, wird – natürlich – der Klimaschutz stehen. Sie wollen Klimaneutralität bis 2035 erreichen. Wie realisierbar ist dieses Ziel, angesichts der Tatsache, dass Sachsen-Anhalt immer noch ein Braunkohleland ist? Im Kohleausstiegsplan der Bundesregierung ist vorgesehen, dass beispielsweise das Kraftwerk in Schkopau im Süden von Sachsen-Anhalt erst spätestens 2034 vom Netz gehen soll.

Wir wollen bis spätestens 2035 klimaneutral werden. Der Kohlekompromiss beinhaltet auch Überprüfungen der bisherigen Zielsetzung. Ich gehe davon aus, dass Kohlekraftwerke zu einem früheren Datum vom Netz gehen. Fakt ist: Wenn wir unsere Energie zu 100 Prozent aus Erneuerbaren ziehen wollen, dann müssen wir mehr Flächen z.B. für die Windkraft ausweisen. Dazu braucht es noch eine Menge Überzeugungsarbeit im Land.

Zudem fordern Sie ein Landesantidiskriminierungsgesetz nach Berliner Vorbild. Braucht es zugleich auch einen grundsätzlichen Wandel in der Innenpolitik? Die Probleme sind ja verheerend: behördliche Fehler im Zuge des rechtsextremen Anschlags von Halle, ein Antisemitismus-Skandal in der Polizei und weiterhin hohe Zahlen im Bereich politisch motivierte Kriminalität rechts.

Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus bleiben große gesellschaftliche Problem, die lassen sich nicht nur ein polizeilich lösen. Innenpolitik darf sich nicht darauf beschränken, dass Polizei in ausreichender Zahl verfügbar ist. Wir brauchen eine bessere Ausbildung, sowie Fort- und Weiterbildung, das Entwickeln einer internen Fehlerkultur und korrigierenden Einfluss von außen, etwa durch einen unabhängigen Polizeibeauftragten. Grüne Innenpolitik setzt auf bürgerrechtsorientierte Polizeiarbeit. Da können wir in den nächsten Jahren viel erreichen.

Sie werben mit dem Slogan »Verlässlich für Sachsen-Anhalt«. Ist das der Versuch, einem CDU-Landesverband, der deutlich rechts von der Bundes-CDU steht, in der politischen Mitte die Stimmen wegzunehmen?

Die Grünen sind Stabilitätsanker in dieser Koalition. Wir orientieren uns nicht an politischen Mitbewerbern.

Bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg hat die Klimaliste den Grünen wichtige Stimmen geklaut. Fürchten Sie ein ähnliches Szenario in Sachsen-Anhalt?

Nein.

Weil?

Wir sind diejenigen, die Klimaschutz in Regierungsverantwortung umsetzen. Wer Klimaschutz will, muss ihn in Regierung stark machen. Das verstehen auch unsere Wählerinnen und Wähler.

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