- Politik
- Vertragsarbeiter in der DDR
Historiker fordern Entschädigungen
100 Forscher unterstützen Kampf von ehemaligen mosambikanischen Vertragsarbeitern
1989 bedeutete für die Menschen in der DDR einen immensen Bruch mit ihrem bisherigen Leben. Von den Entwicklungen betroffen waren auch zahlreiche Vertragsarbeiter, darunter rund 20 000 meist junge Menschen aus Mosambik, die seit 1979 im Rahmen zwischenstaatlicher Verträge ins Land gekommen waren. Sie absolvierten in der Regel eine Ausbildung und arbeiteten auf Baustellen, in Stahlwerken, in der Landwirtschaft, Schlachtereien oder Textilfabriken. Mit dem Mauerfall fielen jedoch ihre Arbeitsstellen und Wohnungen weg, die rassistische Gewalt nahm zu, vielen wurde die Aufenthaltsgenehmigung praktisch über Nacht entzogen. Der Großteil von ihnen musste zurückkehren.
Wieder in Mosambik angekommen, kämpften viele »Madgermanes« um Anerkennung und um eine Entschädigung für einbehaltene Lohnzahlungen und Sozialversicherungsbeiträge. Diese Auseinandersetzung dauert bis heute an. Rund 100 Historiker, die vor allem zur DDR-Geschichte, Erinnerungskultur und Migrationsgeschichte forschen, mischen sich nun in die Debatte ein. In einem offenen Brief fordern sie die Bundesregierung auf, rasche und unbürokratische Entschädigungszahlungen an die Betroffenen zu leisten. Am Dienstag wurde das Schreiben an die Bundestagsvizepräsidentin Dagmar Ziegler (SPD) übergeben.
Was genau ist die Kritik? In einigen bilateralen Abkommen wurde für Vertragsarbeiter in der DDR ein Lohntransfer festgelegt. Vietnamesische Arbeiter mussten nach Angaben des Projekts »Bruderland« rund 15 Prozent ihrer Nettolöhne nach Vietnam transferieren, Kubaner und Angolaner etwa 25 Prozent. Mosambikanischen Arbeitern wurden rund 25 bis 60 Prozent ihres monatlichen Nettolohnes abgezogen, nur ein Grundeinkommen von etwa 350 Mark stand ihnen zur Verfügung. Das einbehaltene Geld verrechnete die DDR mit den Staatsschulden von Mosambik, gleichzeitig versprach man in den Betrieben aber den Betroffenen, dass die transferierten Summen in ihrem Herkunftsland auf Konten für sie angelegt werden. Nach ihrer Rückkehr sollten sie darauf zugreifen können - was jedoch nicht geschah. Dazu kommen bis heute nicht geklärte Rentenansprüche aus Einzahlungen der Vertragsarbeiter in das DDR-Sozialsystem.
Betroffene kämpfen seit mehr als 30 Jahren vor allem in Mosambik für ihre Rechte, 2019 formulierten sie auf einer Tagung in Magdeburg Forderungen nach finanzieller Entschädigung sowie transparenter Aufarbeitung der offenen juristischen Fragen. »Die Bundesrepublik Deutschland hat es im Zuge der Wiedervereinigung versäumt, für die Situation der Vertragsarbeiter angemessen Verantwortung zu übernehmen«, kritisieren jetzt auch die Wissenschaftler in dem offenen Brief. Mehr als 30 Jahre nach dem Ende der DDR sei es »überfällig, das Unrecht, das diese Menschen erlitten haben, anzuerkennen und finanzielle Entschädigung zu leisten«. Initiiert hatten den Brief Christine Bartlitz vom Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam und Isabel Enzenbach von der Technischen Universität Berlin. Eine andere Perspektive in der Debatte nimmt dagegen der Historiker Ulrich van der Heyden ein. Er sieht das Arbeitsabkommen der DDR durchaus als einen »solidarischen Beitrag« für ein zum damaligen Zeitpunkt vom Bürgerkrieg zerrüttetes Land, das Jugendlichen kaum Perspektiven bieten konnte (Beitrag im »nd« 2019). In anderen Beiträgen betont er auch positive Einschätzungen von mosambikanischen Vertragsarbeitern über ihr Leben in der DDR.
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Klare Worte kommen von der Linkspartei. »Die Vertragsarbeiter sind in besonderer Weise durch die geheimen Abkommen zwischen der DDR und Mosambik betrogen worden - individuelle Arbeitskraft gegen staatlichen Schuldenabbau«, erklärte zur Übergabe des offenen Briefs der Linke-Abgeordnete Matthias Höhn. Nach Jahren der Arbeit in der DDR stünden viele ehemalige Vertragsarbeiter heute vor dem Nichts. »Für die Betroffenen in Mosambik braucht es Entschädigung und Anerkennung ihrer Leistungen und des erlittenen Unrechts«, so Höhn. Die Linksfraktion hatte bereits Ende vergangenen Jahres einen Antrag in den Bundestag eingebracht. Darin werden Aufklärung über die damaligen Verträge und ein Entschädigungsfonds gefordert, mit dem zumindest ein Teil der Ansprüche abgegolten werden kann.
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