Undurchschaubare Subunternehmerketten

Dort, wo sich Arbeitsmigrant*innen zusammengeschlossen haben, konnten sie Veränderungen herbeiführen, heißt es in einem Buch über »Wanderarbeiter*innen im Kampf um ihre Rechte«

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 3 Min.
Ob Fleischindustrie oder Landwirtschaft, Transport, Logistik oder Baugewerbe: Ohne Hunderttausende Wanderarbeiter*innen vor allem aus Südosteuropa würde die Produktion in zahlreichen Branchen in Deutschland zum Erliegen kommen. Ohne die Frauen aus Rumänien, Polen oder Bulgarien wäre die häusliche Pflege im heutigen Ausmaß nicht leistbar. Und doch erfahren sie kaum Dankbarkeit und Wertschätzung, sondern sind im Gegenteil mit einer Gesetzgebung konfrontiert, die dafür sorgt, dass sie möglichst billige Arbeitskräfte bleiben.

Kathrin Birner und Stefan Dietl werfen in ihrem im Unrast-Verlag erschienenen Buch einen Blick auf »Die modernen Wanderarbeiter*innen«, so der Titel. Ein besonderer Fokus liegt auf dem Kampf der Arbeitsmigrant*innen um ihre Rechte. So betonen Birner und Dietl zwar, dass vereinzelt bessere Gesetzesgrundlagen für Wanderarbeiter*innen geschaffen wurden, beispielsweise mit der Einführung des Mindestlohns auch für diejenigen, die bei ausländischen Firmen angestellt sind. Schlupflöcher sorgen aber regelmäßig dafür, dass die Frauen und Männer am Ende des Monats – oder am Ende der Saison – dann doch nicht besser dastehen. Verbesserungen habe es eigentlich nur gegeben und Ansprüche konnten nur durchgesetzt werden, wenn sich die Wanderarbeiter*innen – sei es auf dem Bau oder in der Landwirtschaft – trotz allen Schwierigkeiten gemeinsam organisierten, so Birner und Dietl.

Als Beispiele nennen sie die Bauarbeiter*innen des Einkaufzentrums Mall of Berlin, die 2014 um ihren Lohn geprellt wurden und auf die Straße gingen. Im August 2020 besetzten Bauarbeiter*innen in Regensburg zwei Kräne, weil sie keinen Lohn erhielten. Ebenfalls 2020 bestreikten Spargelstecher*innen in Bornheim bei Bonn den Hof Spargel Ritter, weil sie nicht bezahlt wurden. Die Basisgewerkschaft FAU machte dabei auch auf die katastrophalen Unterkünfte vor Ort aufmerksam.

Doch selbst wenn Arbeiter*innen Lohn bekommen: Oft werden ihnen horrende Summen davon für Verpflegung oder Unterkunft abgezogen. Arbeitgeber tricksen mit Stundenzetteln, legen angebliche Arbeitsverträge vor, die tatsächlich Gewerbeanmeldungen sind, und machen ihre Beschäftigten offiziell zu Selbstständigen. Die erfahren das nie, weil sie die deutschen Formulare nicht lesen können und die rechtlichen Bedingungen nicht kennen.

Vor allem in der Fleischwirtschaft und auf dem Bau gibt es zudem undurchschaubare Subunternehmerketten. Teilweise, so Birner und Dietl, wissen die Arbeiter*innen selbst nicht, bei welcher Firma sie eigentlich beschäftigt sind. Das dient den Unternehmen dazu, sich leicht aus der Verantwortung stehlen zu können. »Es gehört zum üblichen Vorgehen in der Branche, dass Subunternehmen bei Problemen mit Behörden und Gerichten in die Insolvenz flüchten, um später unter anderem Namen wieder aufzutauchen«, heißt es über die Bauwirtschaft.

Wenig Hoffnung legen die Autor*innen in vermehrte Kontrollen durch eine bessere personelle und finanzielle Ausstattung der zuständigen Behörde Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls. Tatsächlich ist die Behörde dazu da, Sozialversicherungsbetrug zu ahnden – nicht dazu, fehlenden Lohn einzufordern. Aus Angst vor Konsequenzen verraten Beschäftigte ihre Arbeitgeber oft nicht. Um das zu ändern, fordern die Autor*innen, müssten Arbeiter*innen straffrei ausgehen und man dürfte ihre nicht bezahlten Beiträge in die Sozialkassen nicht eintreiben.

Kathrin Birner, Stefan Dietl: Die modernen Wanderarbeiter*innen. Arbeitsmigrant*innen im Kampf um ihre Rechte. Unrast Verlag, 140 Seiten, 12,80 Euro.

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