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Bidens virtuelle Klimashow
Expert*innen und Aktivist*innen halten die neuen internationalen CO 2 -Reduktionsziele für zu gering
Es hat zum seit Monaten gut orchestrierten Comeback der Vereinigten Staaten in die Welt der internationalen Klimapolitik gehört: Eine eigene Klimakonferenz, zu der 40 Staats- und Regierungschefs eingeladen waren. Sie fand vergangenen Donnerstag und Freitag statt. Mit dem Titel »Leaders Summit for Climate« war das Event recht pompös benannt. Vernünftigerweise ereilte den Klimagipfel für Anführer aber dasselbe banale Schicksal wie die meisten derzeitigen Veranstaltungen: Statt beim Staatsempfang oder im Verhandlungsraum tauschten sich die Teilnehmer:innen per Videoschalte aus.
»Die Zeit ist knapp, aber wir können das schaffen«, sagte US-Präsident Joe Biden zur Eröffnung. »Und ich glaube, wir werden das auch schaffen.« Die Idee des Gipfels: möglichst viele Regierungen zu neuen Klimaschutz-Versprechen zu bewegen. Das am sehnlichsten erwartete kam aber vom Emissionsschwergewicht USA selbst. Wie etliche andere Länder auch, waren die Vereinigten Staaten noch schuldig zu erklären, wie stark sie ihr bisheriges Klimaziel für dieses Jahrzehnt verbessern wollen. Eine Überprüfung des bislang Versprochenen sieht das Paris-Abkommen von 2015 alle fünf Jahre vor - und dem gehören die USA nach einem kurzen Exkurs der Regierung von Biden-Vorgänger Donald Trump ja wieder an.
Diese Verkündung hatte sich Biden für den Morgen des Gipfelstarts aufgehoben. Die USA wollen ihre Treibhausgas-Emissionen demnach bis 2030 um 50 bis 52 Prozent gegenüber 2005 senken. Gegenüber den Plänen der Obama-Regierung von 2014 ist das ein deutlicher Sprung. Damals versprachen die USA nur eine Emissionsreduktion um 26 bis 28 Prozent bis 2025.
»Eine Grundlage, auf der sich aufbauen lässt«, ist das neue Klimaziel für Rachel Cleetus von der US-Organisation Union of Concerned Scientists. »Nicht annähernd genug«, urteilt hingegen Evan Weber von der Gruppe Sunrise Movement, die sich für Klimagerechtigkeit einsetzt. Ihm zufolge stehen die USA durch ihren Reichtum und die hohen Emissionen in der Verantwortung, mehr zu leisten als der globale Durchschnitt. Der aber müsse genau da liegen, wo Biden jetzt hinwill.
Damit bezieht sich Weber auf ein Ergebnis aus dem 1,5-Grad-Sonderbericht des Weltklimarats IPCC von 2018. Demnach müssen sich die Emissionen innerhalb dieses Jahrzehnts weltweit ungefähr halbieren. Selbst dann gibt es nur eine Chance von 50 Prozent, dass die Erderhitzung nicht über 1,5 Grad hinausgeht. Das zu schaffen, ist ein Ziel des Paris-Abkommens. »Wenn schon die USA - das Land mit der größten historischen Verantwortung und der stärksten Wirtschaftsleistung - nur 50 Prozent schaffen, sind wir dem Untergang geweiht«, meint Weber.
Auch die EU stellte beim virtuellen Klimagipfel ihr erst vergangene Woche beschlossenes neues Klimagesetz vor, demzufolge sie ihre Emissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent senken will - allerdings nicht wie die USA gegenüber 2005, sondern gegenüber dem Jahr 1990.
Wer ist nun ehrgeiziger? Klimaziele international zu vergleichen ist kein leichter Job, weil sich die Emissionen der Länder historisch sehr unterschiedlich entwickelt haben - selbst innerhalb der Industrieländer. So gingen in der EU die Emissionen schon in den 1990er Jahren zurück, während sie in den USA erst 2007 ihren Höhepunkt erreichten.
Setzt man für die EU das Jahr 2005 anstelle von 1990 als Basis an, bleiben noch 51 Prozent Minderung, vier Prozentpunkte weniger. Rechnet man andersherum das US-Ziel auf das Referenzjahr 1990 um, bleibt nur noch eine Reduktion um 43 Prozent. Beide haben also für ihr Klimaziel jeweils ein Basisjahr gewählt, das ihre Klimaschutzleistung besonders eindrucksvoll aussehen lässt.
Ähnlich wie die EU hat auch Großbritannien kurz vor dem Gipfel noch schnell ein neues Klimaziel angekündigt, und zwar für 2035. Dann will das Land seine Emissionen um 78 Prozent gegenüber 1990 gesenkt haben. Auch Kanadas Premier Justin Trudeau brachte ein neues Ziel an den virtuellen Verhandlungstisch mit: Sein Land will bis dahin seine Emissionen um 40 bis 45 Prozent gegenüber 2005 senken. Japan stellte ebenso eine neue Marke für 2030 vor, kündigte eine Emissionssenkung um 46 bis 50 Prozent gegenüber 2013 an. Die Volksrepublik China brachte hingegen keine konkreten neuen Ziele mit zum Gipfeltreffen. Präsident Xi Jinping deutete allerdings erstmals an, dass er die Kohlenutzung reduzieren will, wenn auch erst ab 2026.
Was der Gipfel nun gebracht hat? Das Team des Climate Action Tracker, eines Projekts der deutschen Denkfabriken Climate Analytics und New Climate Institute, haben das zu beziffern versucht. Ihr Ergebnis: Werden die neuen Ankündigungen tatsächlich umgesetzt, spart das im Jahr 2030 maximal 3,7 Milliarden Tonnen an Kohlendioxidemissionen ein.
Auf dem richtigen Pfad, um die Erderhitzung bei 1,5 Grad zu begrenzen, ist die Welt damit aber noch lange nicht. Die Lücke zum Nötigen im Jahr 2030 liegt dem Climate Action Tracker zufolge immer noch bei bis zu 24 Milliarden Tonnen CO2, für deren Einsparung sich noch keine Regierung bereit erklärt hat.
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