Grundrecht auf Wohnen in Potsdam und überall

Linkspartei fordert, dass sich Oberbürgermeister der brandenburgischen Landeshauptstadt für eine Regelung im Grundgesetz einsetzt

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

»Potsdam darf nicht zum Reichen-Vorort von Berlin werden«, schrieb Lu Yen Roloff. »Ich möchte weiterhin mit meiner fünfköpfigen Familie in Potsdam leben können, ohne mein ganzes Geld in die Miete stecken zu müssen«, erklärte Astrid Falticzka. Das waren Kommentare zu einer Petition »Mietensteigerungen bremsen, jetzt!«, die der märkische Mieterbund Ende 2020 gestartet hatte. Sie illustrieren, wie angespannt die Lage in der Stadt ist. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass gleich drei Anträge zur Wohnungspolitik auf der Tagesordnung des Stadtparlaments am 5. Mai stehen.

Was kostet ein Potsdamer Mietendeckel?

Nach dem Willen von CDU-Fraktionschef Götz Friedrich soll Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) untersuchen lassen, welche Auswirkungen es haben würde, wenn die Kaltmieten im kommunalen Wohnungsbestand innerhalb von fünf Jahren maximal zum Beispiel um ein Prozent angehoben werden dürfen. Ob dann etwa die nötigen Instandhaltungen und Modernisierungen sowie der Wohnungsneubau ausfallen müssten? Ob die städtische Pro Potsdam GmbH, die 17 000 Wohnungen verwaltet, Quartiere verkaufen müsste, um wirtschaftlich handlungsfähig zu bleiben? In der Begründung seines Antrags stellt Friedrich einen Mietendeckel als womöglich gefährlich hin.

Bürgerbegehren verzögert sich

In die entgegengesetzte Richtung zielt ein Antrag der linksalternativen Fraktion »Die Andere«. Demnach soll der Oberbürgermeister die Pro Potsdam anweisen, alle seit Juli 2020 erklärten Mieterhöhungen zurückzunehmen und bis Juli 2021 auch keine neuen Mieterhöhungen zu versenden. Der Antrag wurde bereits im Dezember gestellt und so lange in den Ausschüssen diskutiert, erklärt Fraktionsgeschäftsführer Lutz Boede. Eigent᠆lich sollte Ende des Monats, also jetzt, in Potsdam ein Bürgerbegehren zu einem Potsdamer Mietendeckel starten. Doch auch das verzögert sich, wie Boede bedauert. »Wir warten noch auf eine Kostenschätzung der Verwaltung.« Diese Angabe zu den finanziellen Folgen eines Mietendeckels solle und müsse auf die Unterschriftenlisten gedruckt werden. Innerhalb von vier Wochen sollte die Kostenschätzung mitgeteilt werden. Nun warte man bereits seit elf Wochen, sagt Boede.

Grundsätzlich wird es in einem Antrag der Linksfraktion, dem sich die SPD und die Grünen angeschlossen haben. Demnach sollen sich die Stadtverordneten dafür aussprechen, ein Grundrecht auf Wohnen ins Grundgesetz der Bundesrepublik und in die Verfassung Brandenburgs hineinzuschreiben. Die Idee hatte der Stadtverordnete Hans-Jürgen Scharfenberg (Linke), der einst als Referent der PDS-Landtagsfraktion am Entwurf der Landesverfassung mitarbeitete, die 1992 durch einen Volksentscheid bestätigt wurde. Von einem Recht auf Wohnen war dort bereits die Rede. Es wurde aber nur als sogenanntes Staatsziel definiert, war und ist also nicht einklagbar. Das sähe bei einem Grundrecht auf Wohnen schon anders aus. Der Vorstoß von Scharfenberg ist ein Versuch, das Übel an der Wurzel zu packen. Seine Möglichkeiten sind aber begrenzt. »Nun bin ich ja nicht so blauäugig zu glauben, dass wir in der Stadtverordnetenversammlung beschließen können: Ab 1. Januar 2022 steht das Grundrecht auf Wohnen im Grundgesetz und in der Landesverfassung«, sagt der erfahrene Politiker, der von 2004 bis 2019 Landtagsabgeordneter war. »Aber wir können Druck machen«, weiß der 67-Jährige. »Ich habe den Antrag niedrigschwellig geschrieben. Das ist alles realisierbar, was da steht.«

Kanzlerkandidaten sind gefragt

Da steht: Der Oberbürgermeister solle das Anliegen im brandenburgischen Städte- und Gemeindebund vertreten und es zum Gegenstand der Arbeit des deutschen Städtetages machen. Außerdem hat Scharfenberg in dem Antrag formuliert, dass das Stadtparlament erwarte, dass sich die Kandidaten im Bundestagswahlkreis Potsdam dazu äußern, wie sie zu einem Grundrecht auf Wohnen stehen. Das dürfte von Interesse sein, weil hier neben Saskia Ludwig (CDU) und Norbert Müller (Linke) auch die Kanzlerkandidaten Annalena Baerbock (Grüne) und Olaf Scholz (SPD) antreten.

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