Vom Lichtblick zum Problemfall

Thailand rutscht seit Monatsbeginn immer weiter in den akuten Corona-Krisenmodus

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 3 Min.

2200 Neuinfektionen am Mittwoch, so viel wie am Vortag. Das sind Zahlen, von denen Länder vergleichbarer Größenordnung, wie auch Deutschland, derzeit träumen. Doch Thailand kommt von einer ganz anderen Ausgangslage. Selbst nach einem kleinen Anstieg in der zweiten Dezemberhälfte hatte das Jahr mit nur knapp 7200 Gesamtfällen begonnen. Inzwischen ist diese Zahl auf 62 000 gestiegen, und die täglichen Neuinfektionen erreichen Werte, die 2020 in vier bis fünf Monaten zusammengefasst erreicht wurden.

Dass die Kurve seit den ersten Apriltagen rapide ansteigt, lässt die Alarmglocken schrillen - allein seit Monatsbeginn hat sich die Gesamtzahl mehr als verdoppelt. In der Hauptstadtmetropole Bangkok werden derzeit Stadien und Trainingsstätten als Corona-Notkrankenhäuser vorbereitet. Diese Feldlazarette werden vom Militär betrieben, drei sind schon in Betrieb: in Songkhla ganz im Süden, in Prachuap Khiri Khan und in Bangkok. Die dortigen Kapazitäten von 300 Betten waren schon am Sonntag mit 246 Patienten fast ausgelastet, hieß es in einer Meldung der »Bangkok Post«. Wie schwierig es schon jetzt ist, überhaupt noch Infektionsketten nachzuverfolgen, zeigt sich an einem der prominentesten Beispiele: Der Chef der Wahlkommission wurde vorigen Donnerstag positiv getestet, könnte 50 Behördenmitarbeiter angesteckt haben. Da er nicht gereist ist, sei unklar, wo er sich infiziert habe, so ein Sprecher.

Schon vor der Corona-Pandemie hatte Thailands Regierung keinen einfachen Stand. Premier Prayuth Chan-o-cha hatte als Armeechef im Mai 2014 einen unblutigen Militärputsch angeführt. Trotz Wahlen vor zwei Jahren, die das Regime notdürftig legitimierten, steht die Riege der Putschisten wegen Beschränkungen demokratischer Freiheiten weiter in der Kritik. Eine seit den Monaten Juli und August neu entfachte Protestbewegung, vor allem von Studierenden angeführt, fordert umfassende Reformen und spart, bis dato ein Tabu, dabei nicht einmal die besondere Stellung des Königshauses aus. Dass Prayuth am Dienstag vom Kabinett zur effektiven Bekämpfung der Coronakrise mit weiteren Befugnissen ausgestattet wurde, die sonst bei einzelnen Ministerien oder dem Parlament liegen, löst vor diesem Hintergrund bei vielen ein mulmiges Gefühl aus. Zwar betonte ein Regierungssprecher, es handle sich nur um einen temporären Schritt, um Entscheidungswege kurz zu halten. Doch jede weitere Machtanhäufung in Prayuths Händen wirft Kritik auf. 31 Gesetze wurden für diesen Schritt abgeändert.

Der Beginn des neuen Schuljahres ist vom 17. Mai auf 1. Juni verschoben worden, historische Stätten sind komplett geschlossen - der wirtschaftlich so bedeutsame Tourismus liegt ohnehin am Boden, da ausländische Besucher nicht mehr einreisen dürfen. Es war gerade die frühe, fast komplette Abschottung nach außen, die bis Ende 2020 sehr gut funktionierte, um die Corona-Ausbreitung zu verhindern. Pläne, den Tourismus wenigstens lokal eingeschränkt wie auf der Ferieninsel Phuket wieder zu öffnen, wurden schon mehrfach verschoben.

Besonders in der Kritik steht Gesundheitsminister Anutin Charnvirakul. Der Premier stellte sich in einer Erklärung vor Anutin, der sich gegen eine Online-Rücktrittsforderung wehrt, die schon 250 000 Unterschriften zählt. Die Impfkampagne hinkt selbst Nachbarn wie Malaysia und Myanmar hinterher: Erst 0,81 Prozent der Bevölkerung haben die erste Dosis erhalten. Bisher wird nur mit dem Präparat von Astra Zeneca geimpft. Von der zuständigen Behörde kam nun die Nachricht, dass die einheimische Firma Siam Bioscience den Impfstoff in Lizenz produzieren darf. Die Prüfungen seien erfolgreich gewesen.

Prayuth will ergänzende Mengen von Sputnik V, Biontech Pfizer und Johnson & Johnson bestellen, um bis Jahresende 50 Millionen Einwohner geimpft zu haben. Die Universität der thailändischen Handelskammer prognostiziert derweil einen Einbruch der Wirtschaft von 1,2 bis 1,8 Prozent durch die neue Welle.

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