Horror Hotelbett

Sonntagmorgen

  • René Hamann
  • Lesedauer: 3 Min.

Auf die Breite kommt es an. Und auf die Beschaffenheit. Die Struktur. Oder wie schon Albert Camus, der französische Existenzialist, der »Die Pest« geschrieben hat, meinte: »Jeder sucht seine Wüste, und sobald er sie gefunden hat, findet er sie zu hart.« Wie bitte, das ergibt keinen Sinn? Man ersetze nur Wüste durch Matratze, schon hat man es.

Ähnlich wie beim Bett durchläuft man auch in Sachen Matratze eine gewisse Entwicklung. Man startet in irgendwelchen Miniformaten, bevor man über 80 Zentimeter allmählich in gewisse Breiten vorstößt. Schafft man es als Teenager noch easy, sich zu zweit 100 Zentimeter zu teilen, freut man sich im Studium oder der Ausbildung bereits über allein auszufüllende 120 Zentimeter und denkt proaktiv über 140 Zentimeter nach, bis man mit endlich 30 Jahren das neue Erwachsensein geschafft hat und sich auf 160 Zentimeter Breite bettet. Genug Platz für zwei. Dann kommt irgendwann der Quantensprung zu 180 Zentimetern - oder besser zu zweimal 90 Zentimetern, was die kommende Spaltung allerdings schon in sich trägt. Sollbruchstelle Ehebett.

Die Breite ist das eine, das andere die Beschaffenheit. Matratzen werden heutzutage mit allerlei Fachausdrücken beworben, zum Beispiel Kaltschaum, Federkern, Gelschaum, Taschenfederkern, sieben Zonen mit Doppeltuch. Wichtig ist, den individuell passenden Weiche- oder Härtegrad zu finden, der Rücken wird sich bedanken. »Expertinnen für Usability« beraten Sie im Internet, während zwei Hipsterjungs aus einem sattsam bekannten Werbespot sich so sehr durch ihre Matratzen gelegen haben, dass der eine bereits ausgestiegen ist, während der andere gleich für eine neue Serie Spots gebucht wurde.

Durchgelegen dürfen Matratzen natürlich nicht sein. Solche haben so manches Hotel schon um eine gute Bewertung gebracht. Hotelbewertungsportale sind ja so etwas wie das Twitter für Normalsterbliche. Will man Spaß an Mäkelkunst und überzogenem Anspruchsdenken haben, klickt man einfach mal durch: Man wird an Urteilen wie »Das Metall-Bettgestell war defekt und knarrte heftigst. Das Bett vom Zimmernachbarn hörbar auch. Die Matratze war durchgelegen und so habe ich auf dem Boden geschlafen. Meine Reklamation dazu wurde inkompetent behandelt« eine gewisse Freude finden.

Auch Gerichtsurteilsseiten sind sehr hübsch. Hier liest man beispielsweise, dass ein Hotelbett als Reisemangel (nicht: »Riesenmangel«) gilt, wenn es kürzer ist als 1,90 Meter; oder dass für ein zu schmales Ehebett (1,20 Meter!) oder bei Rückenschmerzen verursachenden weichen Matratzen Reisepreisminderung möglich ist. Klage einreichen reicht.

Horrorgeschichten über Hotelbetten hat bestimmt jede und jeder in petto. In meiner Lieblingsstory kommen indes gar keine Betten vor, dafür vier Ausfallstraßen, eine Brücke, ein schlecht schließendes Fenster und eine Klimaanlage, die den ganzen Lärm dann noch einmal lässig überbrummt. Hamburg, meine Perle, in Bahnhofsnähe. Hotelkette wird auf Wunsch genannt.

Doch am Ende ist es fast egal, ob es um Lärm, Schmutz oder Härtegrade geht: »Für den gesamten Bereich Hotel-Bett gab es auch schon vor der Coronakrise leider keine festgelegten Standards zur Hygiene«. Darum bette, wer sich den Faden der Laus gönnt, oder so. René Hamann

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