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Gitarrenstunde im braunen Haus
Rechtsextreme nutzen in Sachsen über 80 Immobilien / Kulturbüro: Große Rolle bei Stabilisierung der Szene
Immer freitags ist Frauenfrühstück im P 130. Bei den Runden in der Pausaer Straße 130 in Plauen gibt es Kaffee, Brötchen sowie »Gemeinschaft, in der sich gegenseitig geholfen« wird. Die bietet die Neonazipartei »III. Weg«, die das P 130 betreibt, freilich nicht für alle. Nur als »Hilfe für Deutsche« seien die sozialen Angebote gedacht, zu denen eine Kleiderkammer, die Ausgabe kostenloser Schulmaterialien oder auch Gitarrenstunden zählen. Wer nicht in das völkische Weltbild des III. Weg passt, hat im P 130 nichts zu suchen.
Das Haus in der Kreisstadt im Vogtland zeigt beispielhaft, welche Rolle Immobilien für Rechtsextreme in Sachsen spielen. Über soziale Arbeit in einem eigenen Domizil könne der III. Weg als »faschistische Gruppierung in ein Gemeinwesen eindringen«, heißt es in der Publikation »Sachsen rechts unten«. Sie wird vom Kulturbüro Sachsen seit sieben Jahren herausgegeben und widmet sich in ihrer aktuellen Ausgabe rechten Immobilien. Dem Verein sind aktuell 81 bekannt, die sich flächendeckend in allen Landkreisen finden. Man gehe aber davon aus, dass es deutlich mehr gibt. Der Freistaat zählt neben Sachsen-Anhalt und Thüringen zu den Schwerpunktregionen rechter »Landnahme«. Die Gefahren, die davon ausgehen, seien »nicht hoch genug einzuschätzen«, sagt Grit Hanneforth, Geschäftsführerin des Kulturbüros.
Eigene Häuser spielen für die rechte Szene eine enorm wichtige Rolle. Sie seien »infrastrukturelle Grundlage für die Organisation politischer Arbeit und die Verbreitung rechter Ideologie«, sagt Hanneforth. Weil zudem oft Gewerbe wie Modelabels, Plattenläden und Fitnessstudios angesiedelt sind und Einnahmen durch Konzerte generiert werden, leisteten die Immobilien einen »fiskalischen, ideologischen und strukturellen« Beitrag zur Stabilisierung der Szene.
Dabei gibt es verschiedene Formen der Nutzung. Häuser wie das Plauener P 130 sollen als soziale Zentren wirken, die bewusst in benachteiligten Stadtteilen angesiedelt werden. Daneben gibt es Gebäude, die der Vernetzung der Szene dienen, wie die Villa einer Burschenschaft in Dresden. In der Publikation genannt werden auch Immobilien wie das frühere Hotel »Neißeblick« in Ostritz, in dem überregional beworbene Großereignisse wie das Kampfsportfest »Kampf der Nibelungen« stattfinden, oder andererseits Gartenlokale für ungestörte Kameradschaftsabende.
Zunehmend erwerben Rechtsextreme Bauernhöfe in ländlichen Regionen, wo sie sich ein von Migration »ungestörtes« Aufwachsen ihrer Kinder wünschen. »Sie folgen damit einem zutiefst rassistischen Weltbild«, sagt Franz Hammer, der in einem Mobilen Beratungsteam arbeitet und in Mittelsachsen eine verstärkte »völkische Landnahme« beobachtet. Die Akteure, oft aus dem Westen stammend und einst teils in der verbotenen Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) aktiv, hofften in der von Landflucht geplagten ostdeutschen Provinz auf ungestörtes Agieren, »und leider gelingt das oft«, so Hammer.
Bautzens gar nicht so heimlicher Dominator
Der sächsische Unternehmer Jörg Drews tritt als Wohltäter auf und engagiert sich politisch - weit rechts stehend
Allerdings muss das nicht zwangsläufig so sein. Das Kulturbüro versteht seine Publikation nicht nur als Bestandsaufnahme, sondern auch als Appell, das Phänomen ernst zu nehmen und sich dagegen zu wehren. »Ignorieren ist keine Lösung«, sagt Timo Reinfrank von der Amadeu-Antonio-Stiftung, die »Sachsen rechts unten« unterstützte: »Über kurz oder lang führt das zu großen Probleme in Kommunen.« Diese und ihre Einwohner stünden der Ansiedlung »nicht als hilflos gegenüber«, ergänzt Hanneforth.
Die Möglichkeiten reichen von der Schaffung öffentlicher Aufmerksamkeit über Gegenaktionen der Zivilgesellschaft bis zum Eingreifen der Verwaltung, die mit Mitteln von Bau- oder Ordnungsrecht intervenieren kann. Das sei beim Versuch des rechten Rappers Chris Ares gelungen, der kürzlich in der Oberlausitz ein »patriotisches Zentrum« errichten wollte, oder schon vor Jahren in Borna, wo die Errichtung einer »Gedächtnisstätte« verhindert werden konnte. Sie hatte das Zeug, zur überregionalen Pilgerstätte zu werden, musste aber nach starkem Widerstand nach Thüringen ausweichen.
Voraussetzung, sagt Hanneforth, sei freilich »Problembewusstsein« in den örtlichen Verwaltungen; hilfreich sei zudem, wenn sie beizeiten auf mögliche Probleme hingewiesen würden. Bei den Liegenschaftsämtern gebe es da jedoch »noch viel Luft nach oben«, fügt sie an. Sind die Häuser – wie in Plauen das P 130 – erst einmal etabliert, verschwinden sie so schnell nicht mehr.
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