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Parlaments-Mehrheit für Unabhängigkeit in Schottland
Schottische Nationalpartei gewinnt Regionalwahl, verpasst aber absolute Mehrheit knapp
Edingburgh. Die für die Unabhängigkeit Schottlands eintretende Partei der schottischen Regierungschefin Nicola Sturgeon hat die mit Spannung verfolgte Regionalwahl gewonnen. Laut dem am Samstagabend veröffentlichten Wahlergebnis errang die Schottische Nationalpartei (SNP) 64 Sitze und verpasste damit knapp die absolute Mehrheit im 129 Sitze zählenden Parlament. Die Grünen, die ebenfalls eine Unabhängigkeit Schottlands von Großbritannien anstreben, kommen auf acht Sitze.
Die SNP gewann damit zum vierten Mal in Folge die Regionalwahl in Schottland, verpasste aber ihr Ziel einer absolute Mehrheit. Ungeachtet dessen erklärte Sturgeon schon vor Verkündung des Wahlergebnisses mit Blick auf die Grünen, es bestehe »kein Zweifel, dass es in diesem schottischen Parlament eine Mehrheit für die Unabhängigkeit geben wird«.
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann
Die SNP-Chefin warnte den britischen Premierminister Boris Johnson, dieser dürfe sich dem »Willen des schottischen Volkes« nach einem neuen Unabhängigkeitsreferendum nicht entgegenstellen. Es gebe für Johnson »einfach keine demokratische Rechtfertigung« zu versuchen, »das Recht der Schotten zu blockieren, über unsere eigene Zukunft zu entscheiden«, sagte Sturgeon in einer Siegesrede im Fernsehen. Sie setzt auf eine Mehrheit im Parlament für ein Referendum Ende 2023 und hofft, nach einem Austritt aus dem Vereinigten Königreich wieder der EU beitreten zu können.
Beim ersten Referendum im Jahr 2014 hatten sich noch 55 Prozent der Schotten gegen eine Loslösung von London ausgesprochen. Bei der Brexit-Abstimmung im Jahr 2016 votierten die Schotten aber mehrheitlich gegen den EU-Austritt. Danach gewann die Unabhängigkeitsbewegung erneut an Fahrt.
Johnson, der ein erneutes Unabhängigkeitsreferendum ablehnt, bot Sturgeon nach der Wahl eine Zusammenarbeit an. »Ich bin überzeugt, dass den Interessen der Menschen im Vereinigten Königreich und insbesondere der Menschen in Schottland am besten gedient ist, wenn wir zusammenarbeiten«, erklärte er. In einem Interview im »Daily Telegraph« hatte er sich kur zuvor erneut ablehnend zu einem möglichen Referendum geäußert: »Ich denke, dass ein Referendum im aktuellen Kontext unverantwortlich und leichtsinnig ist.«
Die schottischen Konservativen wurden mit 31 Mandaten zweitstärkste Partei, die schottische Labour-Partei gewann 22 Sitze, die Liberaldemokraten kamen auf vier. Im Vergleich zur vergangenen Regionalwahl 2016 gab es nur kleine Veränderungen. Sturgeons einst einflussreicher Amtsvorgänger Alex Salmond konnte mit seiner neu gegründeten Partei Alba keinen einzigen Sitz erringen. Die Wahlen vom Donnerstag galten als wichtiger Stimmungstest. Es waren die ersten Kommunal- und Regionalwahlen nach dem Brexit und dem Beginn der Corona-Pandemie. Wegen der Hygiene-Maßnahmen dauerte die Stimmenauszählung zwei Tage.
In den restlichen Regionen Großbritanniens schnitten Johnsons Konservative stark ab. Die Tories schlugen die oppositionelle Labour-Partei in mehreren Hochburgen, darunter der traditionell von der Labour-Partei dominierte Wahlkreis Hartlepool im Nordosten Englands. Johnson, dessen Partei offenbar von der erfolgreichen Corona-Impfkampagne profitieren konnte, bezeichnete das Wahlergebnis als »sehr ermutigend«.
Labour blieb allerdings stärkste Kraft im Regionalparlament von Wales und gewann mehrere wichtige Bürgermeisterwahlen, unter anderem in Liverpool, wo die 47-jährige Joanne Anderson die erste schwarze Bürgermeisterin wird. Auch in London wurde Bürgermeister Sadiq Khan von der Labour-Partei für eine zweite Amtszeit wiedergewählt.
Dennoch setzt das Ergebnis Labour-Parteichef Keir Starmer unter Druck, der bei seiner Wahl zum Vorsitzenden vor einem Jahr versprochen hatte, die Partei wieder aufzubauen. Nach der Wahl musste seine Stellvertreterin Angela Rayner ihren Posten räumen, einige Abgeordnete übten jedoch auch offen Kritik an Starmer. Starmer selbst erklärte, er sei »bitter enttäuscht« von dem Wahlergebnis. AFP/nd
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