Entspannen im Marx-Engels-Garten

Ex-Bausenatorin Katrin Lompscher will Freiraum am Fernsehturm zeitgemäß erhalten

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein »hochgradiges Werk der Baukunst« nennt die Architektur- und Planungshistorikerin Simone Hain das Areal zwischen dem Bahnhof Alexanderplatz und der Spree. Der Raum müsse wegen seiner Bedeutung für die Kunstgeschichte bewahrt werden, fordert sie.
Angesicht einer inzwischen jahrzehntelangen Vernachlässigung der Fläche, die in der Verwaltung als Rathausforum bezeichnet wird, ist es allerdings eine »Herausforderung«, der Öffentlichkeit die Qualität und die Erhaltungswürdigkeit zu vermitteln, räumt Hain ein. Das äußerst unfreundliche Wetter beim Vor-Ort-Termin am vergangenen Freitag macht die Sache nicht leichter.

Und doch sind wichtige Etappen im Kampf gegen ein Zubauen des Freiraums geschafft. Die Bürgerbeteiligung unter dem Titel »Alte Mitte – Neue Liebe?« ergab 2015, dass die Mehrheit der Bürger*innen einen »Ort für Alle«, frei von Kommerzialisierung haben will. Eine vollständige Bebauung wurde abgelehnt. Das Spreeufer soll für den Aufenthalt geöffnet und der Verkehr beruhigt werden.

»Die Freunde der Altstadt haben eigentlich nichts anderes vor, als öffentliche Flächen zu privatisieren«, sagt die ehemalige Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke). Sie widmet sich dem Rathausforum nun als ehrenamtliches Vorstandsmitglied der Hermann-Henselmann-Stiftung. Die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift »Henselmann – Beiträge zur Stadtpolitik« widmet sich Geschichte und Zukunft des prominenten Areals, dessen Bedeutung für Berlin Architekturhistorikerin Hain mit der Mall in Washington, des Rings in Wien oder den Tuilerien in Paris vergleicht.

Der Zeitpunkt der Veröffentlichung kommt nicht von ungefähr, denn momentan läuft die entscheidende zweite Phase des Freiraumwettbewerbs für die Gestaltung des Areals. 21 Entwürfe von insgesamt 54 Einreichungen wurden dafür ausgewählt. Darunter seien durchaus Vorschläge, die respektvoll die ursprüngliche Idee weiterentwickelten, befindet Katrin Lompscher. Im August soll eine Jury über die Wettbewerbssieger befinden, im September sollen sie ausgestellt werden. Ein »misslicher Zeitpunkt«, wie Lompscher sagt, so nah an den Wahlen.

Doch das Verfahren im Vorfeld macht den Garten- und Landschaftsarchitekten Stephan Strauss immer noch wütend. »Über den Denkmalschutz ist nur eine Viertelstunde lang debattiert worden, aber es ging stundenlang um das Regenwassermanagement«, ereifert sich der langjährige Vize-Vorsitzende der Berliner Architektenkammer. »Die Freifläche hat einen hohen Wert, aber ganz starke Kräfte sind am Werk, die Zeitschicht abzuräumen«, sagt Strauss.

»Die ganze Wertschätzung für die Ostmoderne war lange nicht da«, befindet auch die Architektin Theresa Keilhacker. Das habe sich inzwischen geändert. »Mehr Aufenthaltsqualität« ist für sie das wichtigste Ziel der behutsamen Umgestaltung. Das Grün solle zu einer Oase aufgewertet werden, aus dem Forum ein »Marx-Engels-Garten« werden. Dazu gehöre auch, der »riesigen Barrierewirkung« der Spandauer Straße ein Ende zu setzen. Als sechsspurige Schneise zerteilt sie die Fläche zwischen Fernsehturm und Spree. Mit der Initiative Offene Mitte Berlin setzt sie sich dafür ein, die Straße für den Autoverkehr zu sperren. Nur die Betriebsgleise der künftigen Straßenbahn auf der Leipziger Straße, die nur bei Störungen befahren werden sollen, will die Initiative akzeptieren. Im August 2019 wurde mit einem Protestpicknick dort die Sperrung schon einmal geprobt.

»Wie gehen wir um mit diesen innerstädtischen Autobahnen?« Diese Frage stellt sich laut Katrin Lompscher nicht nur für die Spandauer Straße.

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