Er will an die Porschefahrer ran

Das linke Angebot in Südthüringen zur Bundestagswahl trägt einen roten Irokesenschnitt und spricht über Porschefahrer: Der Gewerkschafter Sandro Witt ist zum Direktkandidaten der Linken im Wahlkreis 196 gewählt worden.

  • Sebastian Haak, Suhl
  • Lesedauer: 3 Min.
Etwa eine halbe Stunde lang schafft es Sandro Witt, den Mann nicht zu erwähnen, der dem Bundestagswahlkreis 196 in den vergangenen Wochen bundesweit eine enorme Aufmerksamkeit beschert hat: Hans-Georg Maaßen, der ehemalige Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Dann allerdings kann Witt nicht mehr an sich halten. »Der hat Angst, der hat Angst, das ist so unfassbar, wenn man das zwischen den Zeilen liest«, sagt Witt über Maaßen und dessen jüngste Interviews unter anderem in rechtsorientierten Medien. Maaßen habe Angst vor Veränderung. Ganz anders als er und seine Partei, sagte Witt. »Wir haben keine Angst vor Veränderung.«

Diese Polarisierung ist eine, die sich bei Witt und Maaßen schon äußerlich zeigt und die in den nächsten Wochen den Wahlkampf im Südthüringer Bundestagswahlkreis maßgeblich prägen wird.

Auf der einen Seite also Maaßen, der für die CDU nach einem erst wenige Tage alten Parteibeschluss das Direktmandat in Südthüringen erringen soll, der öffentlich stets im Anzug auftritt und gerne rechtspopulistische Stereotype bedient.

Auf der anderen Seite Witt, der am Samstag in Suhl einstimmig zum Direktkandidaten der Linken für diesen Wahlkreis gewählt worden ist, der nicht nur bei dieser Gelegenheit einen schwarzen Pullover und einen roten Irokesenschnitt trägt und die Klaviatur linker Großkampfbegriffe beherrscht. An diesem Tag zum Beispiel: »Ich bin ostdeutsches Arbeiterkind, ich bleibe ostdeutsches Arbeiterkind.« Oder auch: »Deutsche Waffen und der deutsche Kapitalismus morden in der ganzen Welt.« Oder, mit Blick auf die Behörde, die Maßen lange vertrat: »Landesamt weg, Bundesamt weg und das Geld umverteilen in die Zivilgesellschaft.«

Entlang einer solchen Programmatik reihen sich auch die Ideen auf, die Witt auf Bundesebene voranbringen will, sollte er in den Bundestag gewählt werden. Unter anderem wolle er sich für die Einführung einer Vermögenssteuer einsetzen, sagt Witt, kurz bevor er als Kandidat gewählt wird. Wer eine Million Euro oder mehr auf seinem Konto habe, müsse viel stärker zur Finanzierung des Gemeinwesens herangezogen werden. »In Südthüringen gibt’s da keinen, der vor uns Angst haben muss«, sagte Witt. »Wir wollen an den Drittporschefahrer ran.«

Witt ist 1981 in Pirna geboren worden und als Kind nach Suhl gekommen. Er wuchs zeitweise in einem Kinderheim auf und ist seit 20 Jahren Mitglied der Linken beziehungsweise der PDS. Der gelernte Bürokaufmann arbeitete später in diversen Aushilfsjobs bei Supermarktketten und engagierte sich früh bei den Gewerkschaften. Er ist seit 2014 stellvertretender Vorsitzender des Deutschen-Gewerkschaftsbundes im Bezirk Hessen-Thüringen. Unter anderem dieses Amt will er ab dem 1. Juli ruhen lassen, um im Wahlkampf in keine Interessenkonflikte zu kommen.

Obwohl es während der Nominierungsversammlung auch andere Forderungen gibt, schließt Witt aus, seine Kandidatur für den Bundestag über einen Platz auf der Thüringer Landesliste für die Bundestagswahl absichern zu lassen. »Ich gehe nicht auf die Landesliste«, sagt er. Es gebe nun darum, den Wahlkreis direkt zu gewinnen.

In Südthüringen waren in den vergangenen Jahrzehnten die Kandidaten verschiedener Parteien als Direktkandidaten bei Bundestagswahlen erfolgreich: Unmittelbar nach der Wende gewann die CDU-Politikerin Claudia Nolte den Wahlkreis, später holte die SPD-Frau Iris Gleicke den Wahlkreis drei Mal in Folge. Zwischen 2009 und 2013 wählten die Menschen in Südthüringen den Linken Jens Petermann zu ihrem Bundestagsabgeordneten. Anschließend gewann dort wieder die CDU – mit dem inzwischen Ex-Unionsmitglied Mark Hauptmann, der im Verdacht steht, sich in der Coronakrise an Maskengeschäften bereichert zu haben.

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