- Politik
- Koalitionsverhandlungen
SPD und Union: Druck von rechts, Druck durch Zollkrieg
Wegen Absturz der Umfragewerte fordern CDU-Politiker noch schnellere »Asylwende«
Wieder haben sich die Verhandler von Union und SPD am Montag zusammengesetzt. Landespolitiker wie Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) waren zum Auftakt der neuen Runde der Koalitionsgespräche dabei. Der Dresdner Regierungschef tat vor deren Beginn am Mittag kund: »Jetzt müssen alle springen.« Auf einen schnellen Abschluss drang auch die saarländische SPD-Regierungschefin Anke Rehlinger. Die einbrechenden Börsenkurse in Deutschland und Europa nach der Verkündung hoher Importzölle durch US-Präsident Donald machten umso deutlicher, »dass wir schnell zu Ende kommen müssen«, sagte sie.
Aus den Unionsparteien kommen derweil Forderungen an die SPD, in der Asylpolitik ihren Widerstand gegen weitere Verschärfungen aufzugeben. CDU-Politiker wie Christoph de Vries begründen dies mit den jüngst erneut gestiegenen Umfragewerten für die rechtsextreme AfD, während die der Unionsparteien einbrachen. Laut Sonntagstrend der »Bild am Sonntag« kämen sowohl die Union als auch die AfD auf 24 Prozent der Stimmen, wenn jetzt Bundestagswahl wäre. CDU und CSU verlieren damit zwei Punkte im Wochenvergleich, die AfD legt einen Punkt zu. Bei der Bundestagswahl am 23. Februar war die Union mit 28,6 Prozent noch stärkste Kraft geworden, gefolgt von der AfD mit 20,8 Prozent.
»Eine echte Asylwende, eine Arbeitsmarktpolitik, die auf Leistung setzt, und eine umfassende Staatsmodernisierung müssen jetzt kommen.«
Christoph de Vries
CDU-Bundestagsabgeordneter
Schlussfolgerung der Union: Noch weiter nach rechts gehen. Dies offenbar auch vor dem Hintergrund, dass derzeit Menschen in Scharen aus der CDU austreten. Der Unmut entzündet sich insbesondere an den beiden, zusammen eine Billion Euro schweren, neuen Schuldenpaketen für Aufrüstung und Infrastruktur, mit denen die Schuldenbremse im Grundgesetz ausgehebelt wird. Dies wird als klarer Bruch der Wahlversprechen gesehen. Viele derer, die die CDU verlassen, wechseln offenbar direkt zur AfD. Die »Welt« schreibt von einer »Wut-Welle« an der Basis. Die gibt es auch beim Parteinachwuchs. Der Vorsitzende der Jungen Union, Johannes Winkel, forderte die SPD im Sender WDR 5 auf, der Union bei den Themen Wirtschaft und Migration ein »sehr großes Stück« entgegenzukommen. Es könne keinen Koalitionsvertrag geben, »wo wir den Kanzler haben, aber die SPD die Inhalte bekommt«.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete de Vries sagte dem »Handelsblatt«, die Mehrheit der Wählenden habe Union und SPD einen Auftrag gegeben: »Eine echte Asylwende, eine Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik, die auf Leistung und Wachstum setzt, und eine umfassende Staatsmodernisierung müssen jetzt kommen.« Der Politiker zeigte sich zuversichtlich, dass dies unter Führung von CDU-Chef Friedrich Merz auch gelinge. »Der Frust nach dreieinhalb Jahren Ampel-Chaos ist riesig und die Erwartungshaltung an die Union verständlicherweise hoch«, sagte der CDU-Politiker. Es wäre aber »völlig verfrüht«, ein Urteil zu fällen, bevor der Koalitionsvertrag ausverhandelt sei.
Eine Abrechnung mit seiner Partei lieferte auch der frühere saarländische CDU-Ministerpräsident Peter Müller. In einem Gastbeitrag für die »Süddeutsche Zeitung« monierte er, ein »dem Wählervotum Rechnung tragender Politikwechsel« sei »weiter entfernt denn je. Es läuft gut seit der Wahl – für die AfD.« Die bisher bekannt gewordenen Verhandlungsergebnisse von Union und SPD würden für die von CDU und CSU versprochene »Migrationswende« mit mehr Fachkräfte-Einwanderung, besserer Integration und einer »deutlichen Reduktion der illegalen Zuwanderung« nicht reichen, schreibt Müller. Das schuldenfinanzierte Sondervermögen sei vereinbart worden, ohne dass man sich vorher über Einsparungen, Strukturreformen und ein tragfähiges Konzept zur Wiederbelebung der Wirtschaft verständigt habe.
Die Lage an den internationalen Aktien- und Anleihemärkten scheint derweil für Panik unter den Verhandlern zu sorgen. Es sei nun »dringlicher denn je, dass Deutschland so schnell wie möglich seine internationale Wettbewerbsfähigkeit wiederherstellt«, schrieb CDU-Chef Merz auf der Plattform X. Diese Frage müsse jetzt »im Zentrum der Koalitionsverhandlungen stehen«. Nötig seien Steuersenkungen für Unternehmen und Bürger, ein Rückbau der »lähmenden Bürokratie«, die Senkung der Energiepreise und eine »Stabilisierung der Kosten für die sozialen Sicherungssysteme«.
CSU-Chef Markus Söder versprach vor dem Beginn der Verhandlungsrunde am Montag schnelle und »gute Ergebnisse«. Sachsens Regierungschef Kretschmer mahnte, was »gerade passiert, verlangt nach staatsbürgerlicher Verantwortung«. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig erklärte vor Beginn der Beratungen, sie sei »sehr zuversichtlich«, dass man diese Woche mit den Verhandlungen fertig werde. Ähnlich hatte sich zuvor auch der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, geäußert.
Sollten sich CDU, CSU und SPD diese Woche auf einen Koalitionsvertrag einigen, will die SPD ihre Mitglieder innerhalb von zwei Wochen darüber entscheiden lassen. Auch in der CDU werden erste Forderungen nach einer Mitgliederbefragung laut. Nach den Parteistatuten entscheidet ein Kleiner Parteitag über das Ergebnis von Koalitionsverhandlungen. Als Termin dafür wird dem Vernehmen nach der 28. April angepeilt. Als mögliches Datum für die Wahl von Friedrich Merz zum Kanzler steht der 7. Mai im Raum.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.