Impfpriorisierungen werden aufgehoben

Hausärzte entscheiden über Terminvergaben und Reihenfolgen bei der Verabreichung von Vakzinen

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

Nach den Bundesländern Bayern, Baden-Württemberg und Brandenburg kündigt auch Berlin an, die bisher geltenden Regelungen zur Impfreihenfolge bereits ab kommendem Montag aufzuheben. Das bestätigte am Donnerstag ein Sprecher von Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD). Zuvor hatte das Springer-Wirtschaftsmagazin »Business Insider« darüber berichtet.

Nach dem Wegfall der Priorisierung kann sich prinzipiell jeder ab 16 Jahren impfen lassen, der das möchte. Wie schnell die Impfkampagne umgesetzt werden kann, hängt aber weiter maßgeblich davon ab, wie viel Impfstoff den Arztpraxen zur Verfügung gestellt wird. Allgemein wird davon ausgegangen, dass erst ab Juni entsprechende Mengen an Impfdosen zur Verfügung stehen werden. Von da an stehen laut »Business Insider« deutschlandweit fünf bis sechs Millionen Impfdosen pro Woche für Praxen und Impfzentren zur Verfügung. In den Berliner Arztpraxen dürfte die Ankündigung den Ansturm von Patientinnen und Patienten, die sich gegen die Lungenseuche impfen lassen wollen, weiter verstärken. Zu hören ist, dass es bereits jetzt in einigen Praxen lange Wartelisten mit Hunderten Patientinnen und Patienten gibt. Grundsätzlich ist es laut dem Bericht des Wirtschaftsmagazins so, dass Patientinnen und Patienten, die zu einer der drei Priorisierungsgruppen zählen und noch nicht geimpft sind, weiter Vorrang haben sollen.

Der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Abgeordnetenhaus, Wolfgang Albers, begrüßte am Donnerstag die Aufhebung der Priorisierung. »Das ist eine Forderung, die hätte bereits vor zwei, drei Monaten umgesetzt werden müssen«, sagte der Linke-Politiker zu »nd«. Schließlich würden die Hausärztinnen und Hausärzte »ihre Leute« am besten kennen. Außerdem, so Albers, habe die Kassenärztliche Vereinigung Berlin bereits vor Längerem erklärt, dass sie die erforderlichen Kapazitäten für die Impfkampagne besitze.

Am Sonntag erklärte der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin (KV): »Zu diesem Vorgehen hat es mit uns im Vorfeld leider keine Absprache gegeben. So war eine rechtzeitige Information der KV Berlin gegenüber den Praxen nicht möglich, die nunmehr ab Montag mit einem noch größeren Ansturm impfinteressierter Berlinerinnen und Berliner rechnen müssen.« Dabei habe sich an der Situation in den Praxen nichts geändert: Noch immer gebe es dort nicht ausreichend Impfstoff, sodass selbst prioritär zu impfende Personen bislang nicht umfassend geimpft werden können. »Der von der Politik angekündigte ‚Ketchup-Effekt‘, wonach in absehbarer Zeit sehr viel mehr Impfstoff zur Verfügung steht, ist bislang nicht eingetreten.«

Den Einwand, dass das Impfen für die Praxen eine Belastung darstelle, will der Gesundheitsexperte der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus unterdessen so nicht stehen lassen. »Auch die Grippe-Impfung ist jedes Jahr eine logistische Herausforderung«, betonte Albers. Das Entscheidende sei jetzt, dass es genug Impfstoff für die Hausarztpraxen und Betriebsärzte gibt. Albers forderte deshalb erneut, dass die vorhandenen Impfstoffe umdisponiert werden: »Wir müssen jetzt sagen, dass der Impfstoff aus den Impfzentren in die Praxen umverteilt wird, wo er gebraucht wird.« Aus Sicht des Gesundheitsexperten ist mit dem Wegfall der Priorisierung auch die Erleichterung für die Ärztinnen und Ärzte verbunden, dass sie nicht mehr prüfen müssen, ob die Patientinnen oder Patienten überhaupt impfberechtigt sind.

Dass die Impfkampagne maßgeblich zur Eindämmung der Pandemie beiträgt, hatte Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci bereits Anfang der Woche dargelegt: In den bereits durchgeimpften älteren Jahrgängen gibt es deutlich weniger Erkrankungen und schwere Verläufe von Covid-19. Allgemein geht das Infektionsgeschehen in Berlin weiter zurück: Die Sieben-Tage-Inzidenz in Berlin liegt laut Robert Koch-Institut (RKI) den dritten Tag in Folge unter dem wichtigen Schwellenwert von 100. Das RKI gab die Zahl der Corona-Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen am Donnerstag mit 83,4 an. An den Vortagen waren es 93,7 und 86,0. Liegt der Wert fünf Tage in Folge unter 100, können Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie gelockert werden.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -