Ab ins Warme!
Freiwasserschwimmer Florian Wellbrock muss Gregorio Paltrinieri alle EM-Titel überlassen. Für Olympia bleibt er aber Favorit
Florian Wellbrock war nur noch froh, für immer aus dem kalten Lupa-See zu steigen und den ungeliebten Neoprenanzug ganz tief in der Tasche zu verstauen. »Wir freuen uns alle auf Sonne und warmes Wasser in Tokio«, sagte der Doppelweltmeister, in dessen Stimme etwas Sehnsüchtiges lag.
Die Bedingungen rund um die Europameisterschaften in Budapest hatten Wellbrock bei den Freiwasserwettbewerben nicht in die Karten gespielt. »Ich bin kein Freund von kaltem Wasser und von Neoprenanzügen.« Nach der EM wird er es erst recht nicht werden. Der 23-Jährige gewann zwar im 10-Kilometer-Rennen Bronze und sicherte dem deutschen Team am Samstag mit einem starken Schlussspurt noch Silber, mit der Ausbeute sei er auch »sehr zufrieden«, sagt er. Doch der alles überragende Athlet war ein anderer: ausgerechnet sein größter Olympiarivale Gregorio Paltrinieri. Der Italiener feierte das Titeltriple mit Siegen über fünf und zehn Kilometer sowie mit dem Team. »Drei von drei - ein Traum wird wahr«, sagte der 1500-m-Olympiasieger: »Damit hätte ich niemals gerechnet. Ich bin nur hergekommen, um ein paar gute Rennen abzuliefern.«
Dass ihm das besser gelungen war als Wellbrock, hatte auch mit den Umständen zu tun. Wellbrocks saubere Technik und größere Sprintstärke kommen im Neoprenanzug nicht so sehr zum Tragen. Zum einen vermisst der Deutsche die Armfreiheit, zum anderen profitieren die Konkurrenten mehr vom Auftrieb. »Ich bin jemand, der von seiner Länge und seinem leichten Gewicht lebt«, erklärte Wellbrock, »deswegen gibt mir der Neoprenanzug nicht so den Boost wie Athleten, die mehr Masse mitbringen.«
Doch in Tokio wird alles anders werden: Im Odaiba Marine Park werden im August Wassertemperaturen von um die 30 Grad erwartet. Das sind Bedingungen, die Wellbrock liebt. Von den EM-Rennen also Rückschlüsse auf Olympia zu ziehen, sei kaum möglich, betonten Wellbrock und sein Heimtrainer Bernd Berkhahn.
Trotzdem dürfte der Magdeburger gerade im 10-km-Rennen »viel gelernt« haben, wie Berkhahn vermutete. Bei Paltrinieris Angriff 1,5 Kilometer vor dem Ziel stellte sich Wellbrock taktisch »nicht ganz so clever« an, wie er selbst zugab. Statt sich an die Füße des Italieners zu hängen, habe er sich »blöderweise« zurückfallen lassen. Solche Fehler darf sich Deutschlands Vorschwimmer in Tokio bei seiner Mission »Doppelgold« nicht erlauben - egal, welche Temperatur dann dort das Wasser haben wird.
Zum Freiwasserabschluss am Sonntag über die 25 Kilometer startete Wellbrock nicht mehr. Auch die Beckenwettbewerbe in der zweiten EM-Woche lässt er aus. Ende Mai geht es für ihn und seine Verlobte Sarah Köhler ins Höhentrainingslager in die spanische Sierra Nevada. Den Neoprenanzug kann Wellbrock dann zu Hause lassen.SID/nd
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