Plötzlich selbstloser Helfer

Winfried Stöcker will die Welt mit seinem patentfreien Corona-Vakzin beglücken, die Staatsanwaltschaft ermittelt

  • Dieter Hanisch
  • Lesedauer: 2 Min.

In den letzten acht Jahren hat Winfried Stöcker vor allem mit bemerkenswerter Solvenz und rassistischen Äußerungen für Schlagzeilen gesorgt. So empörte er sich über den »Ansturm unberechtigter Asylanten«, dem Deutsche doch durch das Zeugen vieler Kinder etwas entgegensetzen sollten, oder klagte über »reisefreudige Afrikaner«. 2016 erwarb der Medizinprofessor und ehemalige Inhaber der Labordiagnostikfirma Euroimmun mal so eben den insolventen Lübecker Regionalflughafen Blankensee. 2013 hatte er bereits das als Filmkulisse bekannte Jugendstil-Kaufhaus im sächsischen Görlitz gekauft. Seine international agierende Firma veräußerte er 2017 für 1,2 Milliarden Euro.

Im Ruhestand möchte der 74-Jährige nun ganz uneigennützig den Kampf gegen die Corona-Pandemie unterstützen. Deshalb hat er einen Impfstoff entwickelt, mit dem er kein Geld verdienen will, wie er beteuert. Nach eigenen Angaben hat er das Vakzin auf Basis eines rekombinanten Antigens an sich und an 100 Freiwilligen getestet. Bitter enttäuscht ist Stöcker nun, dass das Paul-Ehrlich-Institut als zuständige Behörde dem Impfstoff die Zulassung verweigerte. Nichtsdestotrotz gibt es zumindest rund um Görlitz Interesse an dem Mittel, das die impfwilligen Ärzte sich aus verschiedenen Komponenten selbst zusammenmischen müssen. Die Rezeptur hat Stöcker auf seine Webseite gestellt, nun will er auch Bezugsquellen für die Bestandteile veröffentlichen.

Wie die »Sächsische Zeitung« diese Woche berichtete, steigt die Nachfrage im Freistaat. Mehrere Mediziner haben ihren Patienten das Vakzin bereits verabreicht, eine Ärztin sagte dem Blatt, sie habe 150 Interessenten und bekannte: »Ich impfe Stöcker, sobald ich welchen habe.« Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft Lübeck gegen den Ex-Unternehmer wegen des Verdachts, gegen das Arzneimittelgesetz verstoßen zu haben. Der auch als AfD-Spender bekannte Stöcker wird von FDP-Vize Wolfgang Kubicki anwaltlich vertreten. Er sieht sich als Opfer einer Kampagne, hat aber auch Unterstützer. In einer von bislang 7300 Menschen unterzeichneten Onlinepetition an den Bundestag wird eine Schnellzulassung seines Vakzins gefordert. Für eine Behandlung im Petitionsausschuss wären 50 000 Unterschriften nötig.

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