- Politik
- Winfried Stöcker
Plötzlich selbstloser Helfer
Winfried Stöcker will die Welt mit seinem patentfreien Corona-Vakzin beglücken, die Staatsanwaltschaft ermittelt
In den letzten acht Jahren hat Winfried Stöcker vor allem mit bemerkenswerter Solvenz und rassistischen Äußerungen für Schlagzeilen gesorgt. So empörte er sich über den »Ansturm unberechtigter Asylanten«, dem Deutsche doch durch das Zeugen vieler Kinder etwas entgegensetzen sollten, oder klagte über »reisefreudige Afrikaner«. 2016 erwarb der Medizinprofessor und ehemalige Inhaber der Labordiagnostikfirma Euroimmun mal so eben den insolventen Lübecker Regionalflughafen Blankensee. 2013 hatte er bereits das als Filmkulisse bekannte Jugendstil-Kaufhaus im sächsischen Görlitz gekauft. Seine international agierende Firma veräußerte er 2017 für 1,2 Milliarden Euro.
Im Ruhestand möchte der 74-Jährige nun ganz uneigennützig den Kampf gegen die Corona-Pandemie unterstützen. Deshalb hat er einen Impfstoff entwickelt, mit dem er kein Geld verdienen will, wie er beteuert. Nach eigenen Angaben hat er das Vakzin auf Basis eines rekombinanten Antigens an sich und an 100 Freiwilligen getestet. Bitter enttäuscht ist Stöcker nun, dass das Paul-Ehrlich-Institut als zuständige Behörde dem Impfstoff die Zulassung verweigerte. Nichtsdestotrotz gibt es zumindest rund um Görlitz Interesse an dem Mittel, das die impfwilligen Ärzte sich aus verschiedenen Komponenten selbst zusammenmischen müssen. Die Rezeptur hat Stöcker auf seine Webseite gestellt, nun will er auch Bezugsquellen für die Bestandteile veröffentlichen.
Wie die »Sächsische Zeitung« diese Woche berichtete, steigt die Nachfrage im Freistaat. Mehrere Mediziner haben ihren Patienten das Vakzin bereits verabreicht, eine Ärztin sagte dem Blatt, sie habe 150 Interessenten und bekannte: »Ich impfe Stöcker, sobald ich welchen habe.« Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft Lübeck gegen den Ex-Unternehmer wegen des Verdachts, gegen das Arzneimittelgesetz verstoßen zu haben. Der auch als AfD-Spender bekannte Stöcker wird von FDP-Vize Wolfgang Kubicki anwaltlich vertreten. Er sieht sich als Opfer einer Kampagne, hat aber auch Unterstützer. In einer von bislang 7300 Menschen unterzeichneten Onlinepetition an den Bundestag wird eine Schnellzulassung seines Vakzins gefordert. Für eine Behandlung im Petitionsausschuss wären 50 000 Unterschriften nötig.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!