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  • Verbleib von 750 Arbeitsplätzen

Siemens im Wahlkampfvisier der Grünen

Spitzenkandidatin Bettina Jarasch macht sich mit IG Metall für den Verbleib von 750 Arbeitsplätzen stark

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 4 Min.

Jan Otto zeigt sich angriffslustig: »Das nächste Mal sehen wir uns vielleicht vor dem Tor«, gibt der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Berlin am Dienstag bei einer Onlinepressekonferenz, die aus dem Gasturbinenwerk von Siemens Energy in der Moabiter Huttenstraße übertragen wird, die Richtung der nächsten Wochen vor - sollte es bei den Verhandlungen zwischen Siemens-Konzern, Betriebsrat und der großen Industriegewerkschaft um den Verbleib von Hunderten Arbeitsplätzen in der Hauptstadt keine deutlichen Fortschritte geben.

Im Moabiter Gasturbinenwerk arbeiten 3700 Beschäftigte. Für den Vorstand von Siemens Energy steht die Sache fest, folgt man seinen jüngsten Aussagen: Er will die Fertigung der Gasturbinen nach China und Ungarn verlagern. Ende Juli könnte dann am Standort in der Hauptstadt, einer von 17 Siemens-Energy-Standorten in Deutschland, für Hunderte Beschäftigte bereits Schluss sein. Fast 750 Arbeitsplätze stehen hier unmittelbar auf dem Spiel. Und weitere 1300 könnten folgen, denn wenn die Produktion einmal weg sei, dann folgen auch die anliegenden Bereiche wie Verkauf und Entwicklung, weiß Jan Otto. Es wäre ein weiterer herber Schlag für die Hauptstadtindustrie, die über Jahrzehnte nur mit staatlicher Förderung anzusiedeln war und im allgemeinen seichten wirtschaftlichen Aufschwung auch erst allmählich auf ein halbwegs stabiles Niveau geriet. Bei Siemens-Energy hatte sich zuletzt auch die Corona-Pandemie positiv auf die Konzerneinnahmen ausgewirkt, nach starken Verlusten im Jahr 2019 bescherte die Coronakrise dem Unternehmen einen Gewinn von 99 Millionen Euro.

Gewerkschafter Otto stemmt sich vor diesem Hintergrund um so mehr gegen den Stellenabbau: »Wir wollen, dass die Wertschöpfung in Berlin bleibt, denn das enge Miteinander aus Entwicklung und Produktion gibt man nicht leichtfertig aus der Hand«, kritisiert er den Konzern. Der Wohlstand des Landes Berlin hänge an der Industrie, sie sei der Wirtschaftsmotor, das solle man sehr ernst nehmen, erklärt er weiter. Man werde sehr genau aufpassen und »einen gesellschaftlichen Konsens suchen«, sagt Otto.

Und für den sitzt auch Bettina Jarasch (Grüne) heute mit am Tisch der Pressekonferenz. Äußerlich pandemiebedingt »schön auf Abstand«, wie Jan Otto sagt, inhaltlich aber erstaunlich nah dran, erklärt die Spitzenkandidatin der Berliner Grünen ihre Unterstützung für die bedrohten Beschäftigten. Denn es gehe bei Gasturbinen schon längst nicht mehr nur um eine »alte Technik«, so die Politikerin der Ökopartei, die auch Regierende Bürgermeisterin werden will.

Jarasch will vor diesem Hintergrund Unternehmen wie Siemens Energy in das von ihr für die Hauptstadt geplante Leitbild eines »Grünen Wirtschaftens« integrieren. Ein Leitbild, das im Übrigen auch für alle anderen zukünftigen Koalitionspartner »eine tolle Sache« sein soll, so Jarasch. Sie habe sich bei einem Rundgang durch das Gasturbinenwerk davon überzeugen können, dass Belegschaft und Betriebsrat für einen transformativen Wandel weg von der alten Gastechnik hin zu weiteren Innovationen längst bereit seien.

»Ich habe hoch spezialisierte Techniker gesehen, es wäre ein Jammer, diese Expertise ins Ausland zu geben, nur um sie anschließend teuer wieder zu reimportieren«, erklärt Jarasch ganz im Sinne grüner Wirtschaftspolitik. Sie wolle nun auf den Konzernvorstand zugehen und sich für den Standort einsetzen, erklärt die Grüne.

Das hört Siemens Energy-Betriebsrat Günter Augustat sicher gern. »Wir müssen nicht nur Menschen und Arbeitsplätze halten, sondern auch die Technologien«, erklärt Augustat im selben Fahrwasser. »Wir sind ein großer integrierter Standort, wir können hier Neues entwickeln, aber dafür brauchen wir ein Bekenntnis«, so der Beschäftigtenvertreter. Zugleich müsse man die Industrie sensibilisieren und nicht Erfahrungswissen, das jahrzehntelang angereichert wurde, einfach abstoßen.

Der Betriebsrat hat dem Siemens-Management im Zuge der Verhandlungen ein alternatives Wirtschaftskonzept zu dessen Kahlschlagplänen in der Fertigung übergeben. Man werde mit Einsparungen und Kompromissen leben müssen, erklärt Augustat beim Gespräch. Das Gasturbinenwerk stehe für die traditionelle Berliner Industrie, die Innovatio᠆nen aus der Huttenstraße legten gleichzeitig die Grundlagen für die emissionsarme Energie von morgen, heißt es. Wenn es ein Morgen gibt.

»Das Datum interessiert mich nicht, bei Daimler wollte man auch Ende Dezember fertig sein, und wir sind immer noch bei den Verhandlungen«, poltert Jan Otto, wie man es von dem Gewerkschaftsfunktionär gewohnt ist. Für ihn ist hier in Moabit Ende Juli noch lange nicht Schluss.

»Es kann sein, dass wir aus den Verhandlungen ausscheren«, erklärt der Metaller. »Wir sehen nicht, wie wir 750 oder auch 400 Arbeitsplätze an diesem Standort weggeben können.« Man feiere nicht, dass sich die Siemens Energy-Konzernzentrale in der Hauptstadt niedergelassen hat. »Wir feiern erst, wenn die Arbeitsplätze bleiben«, so stellte Otto klar.

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