Rathäuser und Schulen verbrauchen zu viel Energie

In Gebäuden der öffentlichen Hand werden die Klimaziele nicht erreicht. Besonders auskunftsfreudig sind die Verwaltungen auch nicht

  • Sandra Kirchner
  • Lesedauer: 4 Min.

Eigentlich soll der öffentliche Bereich Vorbild sein, so steht es jedenfalls im Gebäudeenergiegesetz von 2020. Das Heizen von Gebäuden in öffentlicher Hand soll also besonders wenig klimaschädliche Emissionen verursachen. Dazu bräuchte es mehr erneuerbare oder effizientere Heizungen, mehr gedämmte Gebäude und moderne Fenster. Doch um den energetischen Zustand von Rathäusern oder Schulen ist es schlecht bestellt.

Bundesweit sind nur 14 Prozent solcher Gebäude mit den Klimazielen kompatibel: Ihr Energieverbrauch übersteigt nicht den Wert von 70 Kilowattstunden pro Quadratmeter. Die Deutsche Umwelthilfe bezeichnet die Situation als katastrophal und bezieht sich dabei auf eine am Dienstag vorgestellte Auswertung, die sie mit der Internetplattform »Frag den Staat« organisiert hat.

Gemeinsam mit engagierten Bürger*innen wurden über 3000 Anfragen zu den Energieausweisen von Gebäuden in öffentlicher Hand gestellt, wobei aber nur jede sechste durch Übersenden des Energieausweises beantwortet wurde. Auf ein Drittel der Anfragen gab es - zum Teil trotz mehrfacher Nachfragen - gar keine Antwort. 44 Prozent wurden zwar beantwortet, aber ein Energieausweis wurde nicht vorgelegt.

Dabei sind die öffentlichen Verwaltungen und Behörden nach dem Informationsfreiheitsgesetz grundsätzlich dazu verpflichtet, den Zugang zu amtlichen Daten zu gewährleisten. Auch das Gebäudeenergiegesetz regelt, dass zumindest große öffentliche Gebäude mit mehr als 250 Quadratmetern Nutzfläche und viel Publikumsverkehr den Energieausweis gut sichtbar aushängen müssen. Doch die Verwaltungen und Behörden scheinen die Vorgaben nicht zu kennen, schlussfolgert die Umwelthilfe.

Zudem zeigt die Auswertung, dass die öffentliche Hand es nicht besonders eilig mit der energetischen Sanierung hat. Über 50 Prozent der vorgelegten Energieausweise belegen demnach, dass die Gebäude massiv sanierungsbedürftig und damit klimaschädlich sind - ihr jährlicher Verbrauch liegt laut Energieausweis über 140 Kilowattstunden pro Quadratmeter. Ein Drittel aller ausgewerteten Gebäude liegt zwar unter dieser Grenze, aber weil sich damit noch nicht die Klimaziele erreichen lassen, gibt es für sie in der Auswertung die gelbe Karte.

Darunter fällt auch der Dienstsitz von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), der zugleich als Bauminister für den Gebäudesektor verantwortlich ist. Das Ministerium hat einen jährlichen Primärenergiebedarf von 115 Kilowattstunden pro Quadratmeter. Dabei geht es auch anders: Der Dienstsitz von Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU) wurde zur selben Zeit gebaut wie Seehofers Ministerium und kommt auf einen Primärenergiebedarf von 36 Kilowattstunden, weniger als ein Drittel.

Expert*innen gehen davon aus, dass die Sanierungsquote bei öffentlichen Gebäuden noch deutlich niedriger liegt als im Gesamtdurchschnitt. Etwa 0,8 Prozent aller Gebäude in Deutschland werden jährlich saniert, das ist noch viel zu wenig. Damit die Klimaziele erreicht werden, müsste viel mehr unternommen und eine Sanierungsquote von mindestens drei Prozent erreicht werden.

»Unser Klima-Gebäude-Check offenbart, dass die öffentliche Hand seit Jahren einen sich verschärfenden Sanierungsstau in Kauf nimmt«, sagt Barbara Metz von der Deutschen Umwelthilfe. Die Organisation fordert, für alle öffentlichen Gebäude Sanierungspläne vorzulegen, die einen konkreten Zeitplan zum Erreichen der Klimaneutralität bis 2030 enthalten.

Ohnehin ist Bauminister Seehofer unter Zugzwang. Der Gebäudesektor hat die Klimaziele für 2020 nicht erreicht. Es ist nicht gelungen, den CO2-Ausstoß des Sektors wie vorgesehen auf 118 Millionen Tonnen zu senken. Stattdessen wurden 120 Millionen Tonnen emittiert. Nach dem Klimaschutzgesetz ist das Ministerium nun verpflichtet, innerhalb von drei Monaten ein Sofortprogramm vorzulegen, mit dem die fehlenden Emissionsminderungen doch noch erreicht werden können.

Mehr als ein Drittel des Endenergieverbrauchs wird dem Gebäudesektor zugerechnet - ohne Klimaschutz in Häusern kann Deutschland also nicht klimaneutral werden. Um die immer schärferen Ziele im Gebäudesektor erreichen zu können, fordert die Deutsche Umwelthilfe eine Sanierungsoffensive. Durch Anreize soll das Tempo der energetischen Modernisierungen bis 2025 auf das nötige Niveau gesteigert werden.

Außerdem sollen für alle Gebäude in Deutschland Bedarfsausweise verpflichtend werden - auch für Wohngebäude. Bislang arbeitet laut der Umwelthilfe der überwiegende Teil der Verwaltungen und Behörden noch mit Verbrauchsausweisen. Da diese aber auf dem Nutzungsverhalten der vergangenen Jahre beruhen, ließen sich daraus nichts zum Zustand der Gebäude ablesen. Nur mit Bedarfsausweisen sei das möglich.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.