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Deutschland erkennt seine Verbrechen in Namibia an - irgendwie

Bundesregierung will in Namibia um Entschuldigung bitten und kündigt Zahlung von 1,1 Milliarden Eur an / Herero-Aktivist kritisiert Summe als »Peanuts«

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Berlin. Die Bundesrepublik Deutschland wird die Verbrechen deutscher Kolonialtruppen an den Herero und Nama im heutigen Namibia zu Beginn des 20. Jahrhunderts offiziell aber nicht völkerrechtlich als Völkermord anerkennen - und die Nachkommen der Opfer um Entschuldigung bitten. Nach mehr als fünfjährigen Verhandlungen erzielten Deutschland und Namibia eine »Einigung über den gemeinsamen Umgang mit dem dunkelsten Kapitel unserer gemeinsamen Geschichte«, wie Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) am Freitag mitteilte. Als »Geste der Anerkennung des unermesslichen Leids« werde Deutschland Wiederaufbauhilfen in Milliardenhöhe zahlen.

Ziel der seit 2015 laufenden Verhandlungen sei es gewesen, »einen gemeinsamen Weg zu echter Versöhnung im Angedenken der Opfer zu finden«, erklärte Maas. Dazu gehöre, die Ereignisse der deutschen Kolonialzeit im heutigen Namibia und insbesondere die Gräueltaten in der Zeit von 1904 bis 1908 »ohne Schonung und Beschönigung« zu benennen. »Wir werden diese Ereignisse jetzt auch offiziell als das bezeichnen, was sie aus heutiger Perspektive waren: ein Völkermord«, erklärte Maas. Präsident Frank-Walter Steinmeier soll zudem bei einem Festakt im namibischen Parlament offiziell um Vergebung bitten

Deutschland werde Namibia und die Nachfahren der Opfer des Völkermords mit einem »substanziellen Programm in Höhe von 1,1 Milliarden Euro zum Wiederaufbau und zur Entwicklung« unterstützen, kündigte Maas weiter an. Bei der Gestaltung und Umsetzung des Programms würden die vom Völkermord betroffenen Gemeinschaften eine entscheidende Rolle einnehmen. Vertreter der Herero und Nama seien auf namibischer Seite auch eng in den Verhandlungsprozess eingebunden gewesen. Aktivisten bestreiten dies jedoch.

Der Herero-Aktivist Israel Kaunatjike hat die Einigung zwischen Namibia und Deutschland zum Umgang mit den deutschen Kolonialverbrechen kritisiert. »Die Mehrheit der Herero und Nama in Namibia sieht die Einigung als Verrat«, sagte Kaunatjike dem Evangelischen Pressedienst. Die großen Verbände von Herero und Nama seien bei den Verhandlungen nicht eingebunden worden, kritisierte er. Zudem sei die von Außenminister Heiko Maas (SPD) angekündigte Entschädigungssumme in Höhe von 1,1 Milliarden Euro zu niedrig.

Kaunatjike bezeichnete die Summe als »Peanuts«. »Die Herero und Nama haben 115 Jahre in Armut gelebt«, sagte er. Es handele sich dabei um Entwicklungshilfe, »das hat mit Reparation nichts zu tun«. Er befürchte zudem, dass nur wenig Geld bei den in Namibia lebenden Herero und Nama ankomme, wenn es über die namibische Regierung abgewickelt werde. Der 74-jährige Herero-Nachfahre lebt seit 1970 in Berlin und engagiert sich beim Bündnis »Völkermord verjährt nicht!« für eine Aufarbeitung der deutschen Kolonialverbrechen in Namibia.

Bei den von Deutschland finanzierten Projekten soll es nach Angaben des Auswärtigen Amts auf Wunsch der namibischen Seite um die Bereiche Landreform, einschließlich Landkauf und Landentwicklung, Landwirtschaft, ländliche Infrastruktur und Wasserversorgung sowie Berufsbildung gehen.

Die Projekte in den teilweise an den Rand gedrängten Siedlungsgebieten der Herero und Nama sollen demnach zusätzlich zur bestehenden bilateralen Entwicklungszusammenarbeit laufen, die ebenfalls weitergeführt werden soll.

Maas hob hervor, dass sich aus der Anerkennung der deutschen Gräueltaten an den Herero und Nama als Völkermord keine rechtlichen Ansprüche auf Entschädigung ableiten ließen. Um Reparationen handelt es sich bei den vereinbarten finanziellen Leistungen nicht. Über diesen Punkt war während der mehr als fünfjährigen Verhandlungen zwischen Deutschland und Namibia lange gerungen worden.

Billige Entschuldigung
Vom deutsch-namibischen »Aussöhnungsabkommen« haben die Nachfahren der Völkermord-Opfer nichts

»Gelebte Versöhnung kann nicht dekretiert werden«, erklärte Maas weiter. Die Verbrechen der deutschen Kolonialherrschaft hätten die Beziehungen mit Namibia lange belastet. Einen Schlussstrich unter der Vergangenheit könne es nicht geben. »Die Anerkennung der Schuld und unsere Bitte um Entschuldigung ist aber ein wichtiger Schritt, um die Verbrechen aufzuarbeiten und gemeinsam die Zukunft zu gestalten«, erklärte Maas.

Der Verein Berlin Postkolonial protestierte in einer Reaktion »gegen die anhaltende Nichtanerkennung des Genozids im völkerrechtlichen Sinne und die fortdauernde Verweigerung von Reparationsleistungen« durch Deutschland. Mit der Aussage, dass das Verbrechen »aus heutiger Sicht als Völkermord anzuerkennen« ist, falle die Bundesregierung »noch hinter die Position« der damaligen Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) im Jahr 2004 zurück. Deren vollumfängliche und damit auch völkerrechtliche Anerkennung des Genozids sei erst in der schriftlichen Fassung ihrer Rede in Namibia relativiert worden.

Deutschland erkenne damit also auch im aktuellen »Versöhnungsabkommen« keine Wiedergutmachungspflicht an, vielmehr stelle es seine Leistungen gegenüber Namibia »als freiwillige Hilfsaktion dar«, kritisierte Berlin Postkolonial. So erkläre sich die Bundesregierung lediglich zur finanziellen Unterstützung von sozialen Projekten in den vom Völkermord besonders betroffenen Regionen bereit.

Die in einer finanziellen Notlage steckende namibische Regierung habe die von ihr verkündeten Ziele einer vollumfänglichen, also auch völkerrechtlichen Anerkennung des Genozids, einer offiziellen Entschuldigung von deutscher Seite sowie von Reparationsleistungen durch Deutschland nicht durchsetzen können, stellte der Verein fest.

Namibia - damals Deutsch-Südwestafrika - war von 1884 bis 1915 deutsche Kolonie. Zwischen 1904 und 1908 wurden unter der deutschen Kolonialherrschaft zehntausende Angehörige der Volksgruppen Herero und Nama von Truppen des deutschen Kaiserreichs getötet. Historiker sprechen vom ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts.

Die Verhandlungen Namibias und Deutschlands über die Aufarbeitung der Kolonialverbrechen hatten 2015 begonnen, Verhandlungsführer der deutschen Seite war der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Ruprecht Polenz. Agenturen/nd

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