Kein Grund, stolz zu sein

Mit »Pride-Kollektionen« wollen sich Unternehmen als queerfreundlich und divers verkaufen. Dahinter steckt meist wenig

Jedes Jahr im Juni füllen sich die Onlineshops und Schaufenster zahlreicher Unternehmen mit bunten Farben: rot, orange, gelb, grün, blau und lila. Es sind die Farben eines Regenbogens, die der Pride-Flagge, die der LSBTIQ-Community. Denn der Juni ist der Pride-Monat, in dem Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans, Inter und queere Menschen jedes Jahr ihr Dasein feiern. Und mehr noch: gegen Vorurteile, Diskriminierung und Gewalt auf die Straße gehen. Viele große Marken nutzen die Zeit, um ihr Image aufzupolieren: als Unternehmen, das offen gegenüber geschlechtlicher und sexueller Vielfalt ist. Doch in den meisten Fällen wird nur die Oberfläche poliert.

Was im klimapolitischen Bereich als »Greenwashing« bezeichnet wird – also der Versuch, sich durch PR-Maßnahmen oder auch Geldspenden an ökologische Projekte als besonders umweltbewusst und -freundlich darzustellen –, heißt im feministischen Kontext »Pinkwashing«. Denn ähnlich wie ökologisches Bewusstsein ist auch Feminismus, inklusive dem Queerfeminismus von LSBTIQ, seit einigen Jahren »cool« und damit verwertbar. Berühmte Persönlichkeiten wie die Sängerin Beyoncé oder die Schauspielerin Natalie Portman zeigen sich mit T-Shirts, auf denen »We should all be feminists« (dt.: Wir sollten alle Feminist*innen sein) steht. Verkauft von Luxus-Labels, präsentiert von dünnen bis dürren Models und produziert von Frauen, die zu Billiglöhnen in Fabriken schuften. Ähnliche Feminismus-Shirts oder Klamotten im »Pride-Look« gibt es schon lange auch für kleines Geld. Feminismus ist ein Verkaufsschlager geworden – nur eben ohne den Inhalt, die Geschichte, die Forderungen.

Dieses Jahr hat sich zum Beispiel die Frankfurter Brauunion überlegt, als Zeichen gegen Diskriminierung eines ihrer Biere umzubenennen: Aus »FXXXXFXXXXR HELLES« wird »FXXXXFXXXXR BUNTES«. Das eigentliche Etikett wird durch ein Regenbogendesign ersetzt und die Gewinne gehen an Organisationen, die sich gegen Diskriminierung einsetzen. »Gemeinsam setzen wir ein Zeichen für das Miteinander in Deutschland, während wir dabei bleiben können, was wir ohnehin schon gerne machen: Gemeinsam eine gute Zeit haben«, schreibt die Brauunion auf ihrer Website. Wie praktisch! Alles wie immer machen und gleichzeitig ein Zeichen setzen. Ganz simpel mit der Bier-Sonderedition gegen Diskriminierung. Feminismus war noch nie so bequem.

Natürlich spricht nichts dagegen, Produkte in Regenbogenfarben zu verkaufen und auch nichts, Organisationen der queeren Community Geld zu spenden. Die Aufmerksamkeit, die Marken damit auf die Probleme queerer Menschen legen, sollte durchaus auch wertgeschätzt werden. Dennoch handelt es sich viel zu oft nur um eine queerfreundliche Inszenierung. Um Etikettenschwindel – ein Erfolgsrezept im Kapitalismus. Denn meist sind weder die Strukturen der Unternehmen, die ihre Solidaritätsbekundungen mit der LSBTIQ-Community zu Geld machen, wirklich divers, noch setzt man sich ganzheitlich für Geschlechtergerechtigkeit und Akzeptanz ein.

Die Autorin Andi Zeisler spricht in diesem Kontext auch von »Marktfeminismus«. Er sei dekontextualisiert und entpolitisiert, habe also nur noch wenig mit dem zu tun, für das Feminist*innen und Queers seit Jahrhunderten kämpfen. So erinnert kaum eine der vielen Pride-Kollektionen an die Geschichte des Pride-Monats: Am 28. Juni 1969 führte die Polizei im Stonewall Inn in der Christopher Street eine Razzia durch. Die Bar war Treffpunkt homosexueller und transgeschlechtlicher Menschen in New York. Die Durchsuchungen waren der Anfang tagelanger Krawalle zwischen der Polizei und der queeren Community, die – als Schwarze und Latinos vielfach auch rassistisch diskriminiert – erstmalig Widerstand gegen staatliche Willkür und Diskriminierung leisteten. Die Unruhen gelten als Beginn einer globalen Bewegung für die Rechte von LSBTIQ.

Systemrelevant für die LGBTIQ-Community - Eine LGBTIQ*-freundliche Politik muss dafür sorgen, dass queere Schutzräume trotz Pandemie erhalten bleiben.

Diese Entstehungsgeschichte und die politische Dimension hinter Veranstaltungen wie dem Pride-Monat rücken heute in den Hintergrund. Die kapitalistische Aneignung verwandelt den Kampf um Gleichberechtigung in Kommerz. Konkrete Inhalte und Forderungen gehen dabei verloren. Also: Fallen wir nicht auf diesen Regenbogenkapitalismus rein.

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